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Als Schlagmann hat Donald Trump schon mehrmals nicht getroffen. Vize Mike Pence (Mitte rechts) dürfte Ambitionen haben, den Baseballschläger selbst in die Hand zu nehmen.

Foto: AP / Alex Brandon

Es war am 29. Juni 1973, als Howard Baker Geschichte schrieb. Der Senator aus Tennessee, damals ranghöchster Republikaner im Untersuchungsausschuss, der einen Einbruch im demokratischen Hauptquartier im Watergate-Gebäudekomplex aufzuklären hatte, wurde zu einer Schlüsselfigur bei dem Versuch, Licht ins Dunkel zu bringen.

An jenem Tag sagte John Dean vor dem Komitee aus – ein Präsidentenberater, den Richard Nixon entlassen hatte und der nun enthüllte, dass jedes im Oval Office geführte Gespräch auf Tonband aufgezeichnet wurde. "Was wusste der Präsident, und wann wusste er es?", stellte Baker – anfangs gegenüber Nixon durchaus freundlich eingestellt – die entscheidende Frage. Es war der Moment, in dem sich die eigene Partei von dem Republikaner im Weißen Haus abzuwenden begann.

Geschichte muss sich nicht wiederholen, und ob Donald Trump in einen Skandal vom Ausmaß der Watergate-Affäre verwickelt ist, wird sich noch zeigen. Doch an der Nachrichtenbörse Washingtons mehren sich die Szenarien, nach denen sich die Grand Old Party über kurz oder lang von Trump lossagen wird.

Gerüchte um Pence

Bisher haben sich derartige Drehbücher stets als wirklichkeitsfremd erwiesen – skizziert in der Politikblase einer Hauptstadt, in der oft nicht wahrgenommen wird, dass etliche Trump-Wähler ihrem Idol nach wie vor die Treue halten, einem Nichtpolitiker, in dem sie eine Art Rächer im Kampf gegen das Establishment sehen.

Neue Nahrung haben die Gerüchte aber schon deshalb bekommen, weil Mike Pence, der bisher so servile Vizepräsident, begonnen hat, diskret auf Distanz zu seinem Boss zu gehen.

Als durchsickerte, dass Trumps ältester Sohn Donald Jr. ohne Zögern bereit war, russische Hilfs angebote anzunehmen, um Munition gegen Hillary Clinton in die Hand zu bekommen, schlug Pence auffallend leise Töne an, statt sich schützend vor die Trumps zu stellen. Er schenke Geschichten aus dem Wahlkampf nur wenig Beachtung – besonders dann, wenn sie aus einer Zeit stammten, in der er dem Trump-Team noch nicht angehört habe, ließ der Ex-Gouverneur Indianas wissen. Bereits im Mai hatte er, mit Blick auf die Wahl 2020, ein eigenes Aktionskomitee gegründet. Der Schritt, der im Allgemeinen einer Kandidatur vorausgeht, ist ungewöhnlich für die Nummer zwei der Administration, zumal in einer derart frühen Phase seiner Amtszeit.

Pence, so schließen manche Auguren daraus, könnte in nicht allzu ferner Zukunft das Ruder von Trump übernehmen – so wie Gerald Ford einst den skandal gebeutelten Richard Nixon ablöste. Bei solchen Prognosen ist Vorsicht geboten, schließlich hat das Inseldenken Washingtons viele auch im vorigen Jahr dazu verleitet, Trump abzuschreiben, ihn jedenfalls grob zu unterschätzen. Doch der Unmut auf den Parlamentsbänken der Republikaner ist nicht mehr zu überhören.

Vor Midterm-Elections

Vor allem liegt es daran, dass Trump nicht liefert. Bis zur Sommerpause wollte die Grand Old Party einige ihrer zentralen Projekte durch den Kongress gebracht haben. Sie wollte das Zeitfenster nutzen, jene womöglich kurze Zeitspanne, in der sie sowohl die Exekutive als auch die Legislative kontrolliert, bevor im November 2018 die Midterm-Elections an stehen und die parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse ändern könnten.

Bisher ist allenfalls Stückwerk zu sehen. Die Abwicklung der Gesundheitsreform Barack Obamas, der gemeinsame Nenner, auf den sich Republikaner aller Schattierungen in der Opposition immer einigen konnten, tritt bestenfalls auf der Stelle, weil sich die Alternative als unpopu läres Sparpaket erweist, das über 20 Millionen Amerikaner um ihre Krankenversicherung zu bringen droht. Und der Plan einer Steuerreform ist vorerst aufgeschoben. Ob er im Spätherbst Realität wird, wie es das Oval Office derzeit anpeilt, steht in den Sternen.

Hatte Trump in der Nacht seines Wahlsieges versprochen, in einem Kraftakt die vielerorts veraltete Infrastruktur zu modernisieren, so ist von einer Investitionsoffensive weit und breit nichts in Sicht. Die Regierung regiert nicht – jedenfalls nicht so, wie es sich die Regierungspartei erhofft, weil der Präsident nicht herauskommt aus dem Strudel der Russland-Affäre. "Es waren sechs verlorene Monate", sagt die Harvard-Historikerin Doris Kearns Goodwin über den Start des neuen Kabinetts. "In sechs Monaten ist so gut wie nichts geschehen."

Ärger über Russland-Affäre

Aufkommender Frust in den Reihen der Republikaner paart sich mit wachsender Ungeduld. Dass nach und nach, scheibchenweise, immer neue Episoden aus der Russlandakte bekannt würden, das habe einen verheerenden Effekt, polterte vor wenigen Tagen Trey Gowdy, ein aufstrebender Abgeordneter aus South Carolina. Es müsse Schluss sein mit dem kollektiven Gedächtnisschwund im Orbit Trumps, die Karten müssten auf den Tisch, jetzt und sofort. Jemand im Umfeld des Präsidenten, forderte Gowdy, solle alle, die mit der Kampagne zu tun hatten, in einem Raum versammeln und Klartext reden: "Von der Zeit, in der ihr ‚Doktor Schiwago‘ gesehen habt, bis zu dem Moment, in dem ihr mit einem Kerl namens Boris Wodka getrunken habt: Ihr schreibt das alles auf, und dann übergeben wir es dem Sonderermittler." Mit dem Ermittler ist Robert Mueller gemeint, der frühere FBI-Chef, der dem Russland-Kapitel auf den Grund gehen soll.

Nur mangelt es nicht an Parteifreunden, die Trump noch immer für seinen Coup bewundern. Er hat ihnen neue Wählerschichten erschlossen, frustrierte Arbeiter in Rust-Belt-Staaten wie Michigan, Ohio und Pennsylvania, die zweimal in Folge Barack Obama den Zuschlag gegeben hatten. Trumps Basis zu vergraulen wäre riskant, womöglich politisches Harakiri. Das erklärt die Zurückhaltung eines Paul Ryan, des Speakers des Repräsentantenhauses, der im konservativen Kosmos als der Mann der Zukunft gilt. Es erklärt, warum sich bisher auch kein Senator so wirklich aus der Deckung wagt.

John McCain käme dafür in frage, der Veteran aus Arizona, der als kantiger Querdenker gilt. Neulich saß er in einer Synagoge im Zentrum Washingtons, Sixth Ecke I Street, in der häufig hochpolitische Diskussionsabende stattfinden. Der Journalist Leon Wieseltier, einst gefeierter Literaturredakteur der Zeitschrift New Republic, gab eine Steilvorlage nach der anderen, McCain aber wollte keine verwerten. "Wir hatten noch nie einen Präsidenten, der so wenig wusste", sagte Wieseltier und fragte, ob der Senator sich deshalb nicht auch Sorgen mache. Nun, er sorge sich um ein Amerika, das so tief gespalten sei wie lange nicht, antwortete der 80-Jährige. "Für mich sind Sie das Gewissen der Partei", stachelte ihn sein Gesprächspartner kurz darauf von Neuem an. Worauf McCain erwiderte, dass es gerade nicht so einfach sei mit der Grand Old Party.

Schockphase dauert an

Die durchlaufe nämlich noch immer eine Schockphase, nachdem der Politikamateur Trump 2016 all die Gesetzten an den Rand gedrängt habe. Im Übrigen gebe es mit einem neuen Präsidenten, der sich erst hineinfinden müsse ins Amt, fast immer Probleme. Es klang nicht so, als wollte McCain in der Rolle Bakers zum Aufstand blasen. Noch nicht jedenfalls. (19.7.2017)