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Ein zärtlicher Gigant, ein Enigma und alleiniger Bewohner des "Wilsonverse":_Beach Boy Brian Wilson tritt am Donnerstag in Wien auf.

Foto: AP / Charles Sykes

Wien – Von Andy Partridge gibt es eine berühmt gewordene Beschreibung Brian Wilsons. Der britische Musiker der Band XTC bezeichnete die Welt des Genies hinter der Band Beach Boys mit dem Begriff "Wilsonverse". Eine Verschmelzung aus Wilsons Name und dem englischen "Universe". Es verdeutlicht, der Mann lebt in seiner eigenen Welt.

Diese ist das Resultat einer grausamen Erziehung, von Medikamenten und Drogenmissbrauch, frühem Welterfolg, von Stimmen im Kopf, von außergewöhnlichen musikalischen Visionen und psychischen Erkrankungen. Kein Wunder, dass man unter solchen Eindrücken und Einflüssen die Fäden immer wieder verliert. Brian Wilson hat sie, Glückskind, aber immer wieder gefunden, zumindest temporär.

MusicoN

Am Donnerstag gastiert Brian Wilson in der Wiener Stadthalle. Auf derselben Bühne, auf der vor einem Monat die Reste der Beach Boys ein gefeiertes Konzert absolvierten, das sie ohne ihn gar nicht hätten geben können.

In Wilsons Kopf nahm auch jenes Album Gestalt an, das regelmäßig als eines der drei besten Popalben aller Zeiten gehandelt wird, das 1966 erschienene Pet Sounds. Das Album hat Wilson weitgehend mit einer als Wrecking Crew berühmt gewordenen Studiomannschaft in Los Angeles aufgenommen, die restlichen Strandbuben hatten derweil Pause, später dann Probleme, die komplexen Songs live aufzuführen.

Jubiläumstour

Seit dem 50-jährigen Jubiläum dieses Meilensteins im Vorjahr ist Wilson damit auf Tour. In Wien wird er es mit dem ehemaligen Beach Boy Al Jardine in seiner Gesamtheit aufführen. Zuvor werden diverse Klassiker des üppigen Beach-Boys-Kataloges in einer Aufwärmrunde zur Aufführung kommen, Brian wird dafür am Klavier sitzen. Ein zärtlicher Gigant, das ewige Kind im Körper eines alt gewordenen Mannes.

Angesichts der Schrammen, die Wilson sich und das Leben ihm beigebracht haben, darf man es als kleines Wunder betrachten, wie sehr er dennoch funktioniert. Musik war ihm immer der rettende Fluchtpunkt in einer viel zu harten und rücksichtslosen Welt.

Dort verfasste er ins Mark gehende Balladen wie Caroline No, Warmth Of The Sun oder God Only Knows. Oder das manifeste Love and Mercy – Liebe und Nachsicht, davon kann es nie genug geben. Bisher erlebte Auftritte des eben 75 Jahre alt gewordenen Ausnahmekünstlers besaßen trotz diverser Seltsamkeiten des Meisters immer ihre eigene Magie.

Immerhin sprechen wir hier von einem schwer gebeutelten Wunderkind, dessen Biografie in Filmen und Dokumentationen wie dem grandios-erschütternden I Just Wasn't Made for These Times beleuchtet worden ist. Deren Erkenntnisse sind, wie man so schön sagt, far out. Und wer so weit dort draußen ist, kehrt oft nicht wieder.

Wie oft sich also noch die Gelegenheit ergibt, diese enigmatische Persönlichkeit live zu erleben, weiß man nicht. Den Weg sollte man in jedem Fall auf sich nehmen – und Love and Mercy nicht zu Hause vergessen. (Karl Fluch, 18.7.2017)