"Wir haben einen schrulligen Pensionisten dabei, eine Schülerin, die sich gemeinsam mit ihrer Lehrerin gemeldet hat, jetzt sind beide dabei. Es ist eine recht witzige Partie", sagt Roland Düringer über die Kandidaten für seine Liste.

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Über die Chancen seiner Liste sagt Düringer: "Vielleicht liegt das größte Potenzial aber bei jenen, die einfach nicht wissen, was sie tun sollen, die sonst nur das kleinste Übel wählen."

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Der Schauspieler übte bei der Präsentation seines Buches "Meine Stimme gilt" bereits für die Rolle als Politiker.

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STANDARD: Peter Pilz konnten Sie offenbar nicht überzeugen, auf Ihre Liste zu kommen ...

Düringer: Habe ich auch nicht probiert. Ich habe ihm nur die Botschaft hinterlassen, dass er gerne bei unserem Projekt mitmachen kann, aber nicht auf der Liste, weil wir keine Berufspolitiker nehmen.

STANDARD: Was den Kampf um Nicht- und Protestwähler betrifft, ist Pilz wohl Ihr stärkster Konkurrent.

Düringer: Wenn ich wirklich als Roland Düringer ernsthaft in den Nationalrat streben würde, dann wäre das vielleicht so. Aber meine Zukunft ist davon nicht abhängig. Nachdem unsere Liste ein Kunstprojekt ist, ist das eigentlich ganz egal. Mir geht es nicht darum, unbedingt in den Nationalrat einzuziehen, das ist nur eine Möglichkeit, die wir anbieten. Ich bin schon froh, dass sich so viele Leute gemeldet haben und wir jetzt 50 seriöse Kandidaten haben, die noch nie etwas mit Politik zu tun gehabt haben und als Bürger ins Parlament gehen wollen.

STANDARD: Der Ehrgeiz ist nach wie vor, bundesweit anzutreten?

Düringer: Wir sind jetzt in der heißen Phase: Schaffen wir es in der Zeit vom 25. Juli bis zum 18. August, 2600 Unterstützungserklärungen zu bekommen? Das ist entscheidend. Sonst ist das Projekt am 18. August vorbei.

STANDARD: 2600 Unterstützungserklärungen klingen nach nicht viel, sind erfahrungsgemäß aber sehr schwer zu sammeln.

Düringer: Die Unterstützungserklärungen sind das Schwierigste an dem Ganzen. Die Menschen, die das unterschreiben, müssen ihr Gesicht zeigen. In einer Wahlkabine anonym ein Kreuzerl zu machen, das kann jeder. Aber gerade im ländlichen Raum, wo dich jeder kennt, auf die Gemeinde zu gehen und eine Unterstützungserklärung für den Düringer zu unterschreiben, das ist für manche vielleicht zu viel.

STANDARD: Alternativ dazu würden für eine Kandidatur die Unterschriften von drei Abgeordneten reichen. Haben Sie das probiert?

Düringer: Das ist nicht unser Projekt. Das wäre das Einfachste, die drei Unterschriften hätten wir sicher, da gibt's ja einige im Parlament, die noch einen Job wollen. Aber das muss von den Leuten kommen. Es geht nicht darum, die Stimme jemandem zukommen zu lassen, sondern darum, die Stimme zu behalten. Das ist unser Konzept.

STANDARD: Wie hoch schätzen Sie selbst das Potenzial Ihrer Liste ein?

Düringer: Es ist noch zu früh, das zu sagen. Solange wir nicht die Unterstützungserklärungen für unser Projekt haben, ist es eigentlich nicht vorhanden. Ich sehe das so: Wir wollen die Nichtwähler motivieren und jene, die sonst ungültig wählen. Die Nichtwähler sind ja nicht unbedingt Menschen, die unzufrieden sind mit dem System, das sind oft Menschen, die eh ganz zufrieden damit sind, wie es ihnen geht. Darum ist Politik für sie nicht wichtig. Das ist Teil des Projekts, dass wir herausfinden, wie viele sind wirklich unzufrieden. Vielleicht liegt das größte Potenzial aber bei jenen, die einfach nicht wissen, was sie tun sollen, die sonst nur das kleinste Übel wählen. Dieser große Anteil von 25 Prozent Nichtwählern – das ist vollkommen unrealistisch, dass die den Oasch in die Höhe bekommen. Das sind Menschen, die vom System aus dem demokratischen Prozess schon hinausgedrängt wurden.

STANDARD: Wie viele Leute haben sich bei Ihnen gemeldet, die mitmachen wollen?

Düringer: Wir hatten 1000 Bewerbungen, 400 haben den Online-Test gemacht, 160 haben wir persönlich getroffen. Von diesen 160 Menschen haben wir 50 ausgewählt, das sind liebe, leiwande Leute. Wir haben die gecastet, haben sie eine Rede im Plenarsaal halten lassen und ein Interview geben lassen. Von den 50 werden wir per Los jene aus dem Hut ziehen, die auf die Bundesliste kommen. Es sind uns alle gleich lieb.

STANDARD: Was sind das für Leute, woher kommen die?

Düringer: Ganz unterschiedlich. Wir haben ein paar Akademiker, ein paar Hackler, Lehrer sind dabei, Studenten, Junge, Alte. Die Hälfte sind Frauen, wobei ich schon sagen muss, leichter war es Männer zu finden. Das Verhältnis war drei zu eins, das waren viel mehr Männer. Wir haben einen schrulligen Pensionisten dabei, eine Schülerin, die sich gemeinsam mit ihrer Lehrerin gemeldet hat, jetzt sind beide dabei. Es ist eine recht witzige Partie.

STANDARD: Was treibt diese Leute an?

Düringer: Die kommen alle aus unterschiedlichen Biotopen und Ideologien, das sind nicht Ökofuzzis, was man mir wahrscheinlich zuordnen würde, auch wenn's nicht stimmt. Was sie eint, auch mit mir: dass wir alle glauben, diese Parteien irgendwann einmal loswerden zu müssen. Wir glauben, dass die Gesellschaft ohne diese Parteistrukturen auskommen könnte. Das ist nicht mehr notwendig. Wir brauchen diese Parteien nicht mehr. Man könnte auch die Menschen abstimmen lassen. Man könnte Themen in Onlinebürgerräten ausdiskutieren. Das probieren wir auch aus. Das ist jetzt ein erster Schritt, dass man über so etwas vielleicht nachdenkt.

STANDARD: Mit welchen Themen soll die Liste denn in den Wahlkampf gehen?

Düringer: Wir versuchen gerade die richtige Form zu finden. Es gibt vier unterschiedliche Modelle: nur reiner Protest, offene Demokratie, Liquid Democracy und ein Soziografiemodell. Davon hängt ab, wie wir die Themen behandeln. Angenommen, wir entscheiden uns für die offene Demokratie, dann lassen wir die Leute über die Themen entscheiden. Was halt so die Themen sind: Migration, an dem kommt man nicht vorbei, Steuergerechtigkeit, Arbeitslosigkeit, Bildung, was auch immer. Dann haben wir eine Methode und ein Thema, dann diskutieren wir darüber und versuchen das ins Parlament hineinzutragen.

STANDARD: Sie haben jetzt viel mit den Leuten geredet, was interessiert die denn am meisten?

Düringer: Was sie am meisten interessiert: Sie erkennen, dass dieses System so nicht mehr funktioniert. Wir müssen das System anders aufstellen. Es jammern alle über den Stillstand und die Streitereien. Das halten die Leute nicht mehr aus, das wollen sie nicht mehr. Sie wollen eine sachliche, nüchterne, lösungsorientierte Diskussion haben. Haben Sie diesen runden Tisch im Fernsehen gesehen? Um Gottes willen! Was sind das für Politiker, die da diskutieren? Das ist doch wirklich schrecklich. Unsere Idee ist es, diesem System eine Absage zu erteilen.

STANDARD: Haben Sie keine Angst, sich mit dieser Aktion als Schauspieler und Kabarettist selbst zu beschädigen?

Düringer: Dass es mir schadet, ja, das kann schon sein. Aber mein Gott, Opfer muss man bringen. Bei mir ist das eh schon wurscht. Ich polarisier sowieso. Für manche bin ich leiwand, toll, was ich mache und wie mutig und kritisch ich bin, für andere bin ich ein vollkommener Dillo und Spinner, ein Ökofuzzi und Verschwörungstheoretiker. Also ist es eh wurscht, ich habe da nichts zu verlieren. Ich weiß, dass nach der Wahl mein Leben ganz normal weitergehen wird, ich will nicht ins Parlament. Ich habe am 17. Oktober Premiere mit meinem Programm, und aus. Dann spiele ich wieder Kabarett. (Michael Völker, 20.7.2017)