Max Natmessnig kochte bisher im New Yorker Drei-Sterner Brooklyn Fare. Hotelier Joschi Walch lockte ihn auf den Arlberg.

Foto: Severin Corti

Ein fantastisch aromatischer Paradeisersalat mit Estragon-Granité, der wie ein kühlender Blitz durch die Hitze des Sommers fährt.

Foto: Severin Corti

Max Natmessnig hat nach der Matura aus purem Spaß in der legendären Auberge de l'Ill hospitiert und dann beschlossen, Koch zu werden. Und zwar genau so, wie sich das gehört: Für ein paar Jahre im Steirereck anheuern, dann den Sprung zu einigen der begehrtesten High-End-Dining-Spots des Planeten wagen und sich jetzt daranmachen, der heimischen Gourmetszene eine dringend benötigte Frischzellenkur zu verpassen. Der junge Mann war ganze drei Jahre beim holländischen Wunderkind Sergio Herman, dann ein Jahr im New Yorker Nomad des aktuell weltbesten Chefs, Daniel Humm, zuletzt drei Jahre als rechte Hand von New Yorks heißestem Drei-Sterner César Ramírez im Brooklyn Fare – viel eindringlicher lässt sich ein Ruf als Hypertalent des internationalen Food-Zirkus kaum etablieren.

Jetzt ist Natmessnig 29 Jahre alt und hat seine erste Stelle als Küchenchef angetreten – in einem Restaurant, das ein ganz ähnliches Konzept wie der bloß 18 Sitzplätze umfassende Chef's Table im Brooklyn Fare verfolgt. Es steht aber in keiner Welthauptstadt des guten Essens, sondern hoch oben auf dem Berg, im winzigen Nobeldorf Zug. Joschi Walch, Patron des Hotels Rote Wand, ist ein passionierter Gutesser, der sein vor wenigen Jahren eröffnetes High-End-Restaurant Schualhus ziemlich explizit am Chef's-Table-Konzept des Brooklyn Fare orientierte, bei dem die Gäste an einem in U-Form um den Küchenblock gebauten Tisch Platz nehmen. Dass sich einmal ein Brooklyn-Fare-Mann den Schualhus-Herd zu eigen machen würde, hätte er sich aber kaum zu erträumen gewagt.

Es gibt nur ein Menü, das als Stakkato hochelaborierter Snacks beginnt, die nahtlos in eine achtgängige Speisenfolge übergehen und einen nach mehreren Stunden satt, aber keineswegs beschwert, vor allem aber mit einem glücklich belämmerten Grinsen auf den Lippen in die kühle Nacht des Arlbergs entlässt. Die "New York Times" beschreibt in ihrer Kritik des Brooklyn Fare die Köche als "Magier", deren Gerichte in "schwindlig machenden Kaskaden ungekannter Köstlichkeit" über den Gaumen der Esser schwappen. Das trifft es ziemlich gut, wenn man Natmessnigs Performance im Schualhus als Gradmesser nimmt.

Ein winziges Tartelette mit Erbsencreme ist von ungekannter Frische, luftig, cremig und geradezu knackig in seiner Balance aus Säure und Süße. Bergkäse wird als geschmacklich explosives, souffliertes Kissen aufgetragen, ein Hauch voll Knusprigkeit, gefüllt mit einer unwirklich luftigen Schaumwolke, die die Essenz des rezenten Käses transportiert. Dann kühler Rettich, in Dashi infundiert, ein Strich Misocreme dreht eine umami-salzige Pirouette dazu, Sauerklee schneidet mit frischer Adstringenz dazwischen – einer der nominell bescheidensten, geschmacklich aber einprägsamsten Snacks.

Buttermilch-Hexerei

Flusskrebs-Suppe, eine zart gewebte Komposition, hat als Überraschung auf dem Boden des Tiegels eine zu karamelliger Creme reduzierte Krustentier-Essenz versteckt – mutmaßlich das Herrlichste, das sich aus dem Tier überhaupt machen lässt. So geht es weiter, Gang um Gang, ein fantastisch aromatischer Paradeisersalat mit Estragon-Granité etwa (siehe Bild), der wie ein kühlender Blitz durch die Hitze des Sommers fährt. Oder marinierter Saibling aus dem nahen Teich mit einer Buttermilch-Kräuter-Vinaigrette, die in ihrer komplexen Frische und Kraft wie Hexerei anmutet. Oder eine Emulsion aus Rauchfisch-Auszügen und Kräutern, die ein weiches Ei zu einem Monument des Wohlgeschmacks werden lässt.

Fazit: Ein Essen in Zug am Arlberg hat alle Zutaten, um einen nachhaltig mit den Ohren schlackern zu lassen. Sehr schön spazieren gehen kann man da auch. (Severin Corti, RONDO, 21.7.2017)