Felix Bork, "Oh, ein Tier!". € 28,80 / 362 Seiten. Eichborn- Verlag, Köln 2017

Auch keine Schönheit: die Schabe

Foto: Eichborn/Bork

Tieren, die in der "heimischen Natur" leben, ist dieses originelle Bestimmungsbuch gewidmet, das man wohl am besten auf Wanderungen durch Stadt und Land im Rucksack mitführt. Das großformatige, von der ersten bis zur letzten Seite gemalte, gezeichnete und gekritzelte Hardcover-Buch von Felix Bork wiegt gut zwei Kilogramm. Es lädt aber trotzdem ein, laufend nachzublättern, was das wohl für ein Tier sein könnte, denn selbst vertraut wirkende Lebewesen, die da auf dem Balkon, im Park oder am Badeteich summen, kriechen oder deutlich hörbar rufen, kennt man vielleicht nicht dem Namen nach. Okay, das hier dürfte eine Hummel sein, aber ist es eine Dunkle Erdhummel, eine Steinhummel oder eine Gartenhummel? Hm? Wodurch unterscheidet sich die Sandwespe von der Gemeinen Wespe, rein optisch?

Oh ein Tier! wirkt großteils wie eine colorierte, total schräge Fassung von Brehms Tierleben – selbstverständlich ohne die zeichnerischen Dramatik des Nachschlagewerk-Klassikers. Wir sehen da einen Turm- und einen Wanderfalken, die beide völlig korrekt gemalt so aussehen, als hätte ihnen jemand gedroht, die Federn zu rupfen. Die Schwarze Wegameise dürfte recht erschöpft sein. Vermutlich hat sie schon einiges geschleppt, als sie gemalt wurde. Die Waldohreule und der Steinkauz blicken den Betrachter an, als wären sie über sein Aussehen schockiert – natürlich keine große Kunst bei Eulen und den riesigen Augen, aber eine Darstellung, die wohl schmunzeln macht.

Naiv kindlicher Zugang zum Tier: Das Wildschwein-Junge
Foto: Eichborn/Bork

Auf den anderen Seiten dominiert der Zeichenstrich, der der eines Volksschülers sein könnte, mit einem Schmäh, der ein wenig fixiert ist auf das, was unter der Gürtellinie passiert. Da wir Menschen das aber alle mehr oder weniger sind, kann es schon Spaß machen, wenn Borg den Hobbyornithologen zum Geleit mitgibt: "Du wirst feststellen, dass auf den folgenden Seiten hauptsächlich die Vogelmänner zu sehen sind. Das liegt daran, dass sie meistens viel geiler aussehen. Das müssen sie auch, weil sich sonst keine Vogelfrau für sie interessiert, sie dann keinen Vogelsex haben, um Vogelbabys zu machen."

Auch bei den Krickenten wird klar: Männchen sind deutlich bunter. Sie würden sonst keine Entenfrau finden.
Foto: Eichborn/Bork

Es geht in diesem Buch natürlich darum, wie sich Tiere vermehren: Da wird Partywissen geliefert, auf das wir beim nächsten Grillfest dankbar zurückgreifen (Kaninchen ficken mehr als Hasen), da wird Igelsex gezeichnet mit der Überschrift "500.000 Igel sterben jährlich im Verkehr". Das Buch erzählt auch davon, wie die Tiere sich ernähren, welche Werkzeuge sie dafür haben: Die Darstellung der unterschiedlichen Vogelschnäbel reicht vom Insektenfresser (eher konventionell) bis zum Schlammstocherer (Typ Sprungschanzen-Schnabel).

Kleiner Überblick über Vogelschnäbel.

Wem das alles zu dumm ist, der muss sich eben hochseriöse Bücher, nicht dieses Gesamtkunstwerk aus Pinselstrich und entwaffnender Banalität besorgen. Ihm entgeht dabei aber vielleicht ein Moment der Heiterkeit. Zeichner und Autor Felix Bork hat auch einen Instagram-Account @felixmegawhack.

Da lässt er einen Marienkäfer grinsend über die Seite wandern. "Mondays sucks, but less with ladybugs." Wie recht er doch hat. (Peter Illetschko, 23.7.2017)