Vor zwei Wochen habe ich mir das erste Mal in meinem Leben Aktien gekauft. Mir gehören jetzt ganz kleine Teile von riesigen Firmen. Einige von Ihnen haben das im Forum oder per Mail scharf kritisiert. Wie kann man einem Konzern wie Apple denn nur Geld geben? So als wäre ich jetzt auf der dunklen Seite der Macht angekommen. Warum ich das ganz anders sehe, darüber schreibe ich in diesem Beitrag.

Das ist der sechste Teil der Serie "Katsching". In den ersten fünf Beiträgen habe ich Schritt für Schritt erklärt, wie ich – unterstützt vom Rat unabhängiger Fachleute – 10.000 Euro anlege. Sie sind zum ersten Mal hier? Fangen Sie am besten mit Teil eins an, in dem ich das Projekt vorstelle.

Bevor ich loslege, möchte ich mit einer Definition starten. Ein Kapitalist ist für mich jemand, der nicht nur für sein Geld arbeitet, sondern sein Geld auch – zumindest ein bisschen – für sich arbeiten lässt. Ich habe 5.000 Euro in einen ganz breiten Aktien-ETF gesteckt. Damit gehört mir zum Beispiel eine Microsoft-Aktie. Ich besitze also 0,000000001 Prozent eines der größten Unternehmen der Welt. Ich bin Kapitalist.

Woher kommt jetzt aber das Geld, das ich verdiene? Ich erhalte eine Prämie dafür, dass ich mein Geld nicht selbst ausgebe. Das darf jemand anderer tun. Je riskanter das ist, desto höher der potenzielle Ertrag (und Verlust). Eine Aktie wirft Dividenden ab, so wie ein Sparbuch Zinsen bringt.

Microsoft-Chef Nadella. Ich bin sein Chef – zumindest ein bisschen.
Foto: apa / angere

Ich erhalte also regelmäßig einen ganz kleinen Anteil vom Microsoft-Gewinn. Wenn die Firma künftig gut wirtschaftet, wird sie vielleicht noch mehr wert sein. Wenn ich den ETF – ein komplizierter Name für eine spezielle Art von Fonds – später einmal verkaufe, bekomme ich dann vielleicht mehr zurück, als ich zu Beginn bezahlt habe.

Einige User meinten, was ich verdiene, würde ich anderen wegnehmen. Ganz so unrecht haben sie damit nicht. Das war zumindest für den größten Teil der Geschichte des Menschen richtig. Seit 250 Jahren gibt es aber ordentliches Wirtschaftswachstum. Es muss also nicht der eine dem anderen etwas wegnehmen, der Kuchen wird seit geraumer Zeit jedes Jahr ein bisschen größer. Das Geld, das ich von den 2.400 Unternehmen bekomme, kommt genau daher.

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Wenn Konzerne Geld verdienen, bekomme ich davon einen Minianteil.
Foto: reuters / pfaffenbach

Langfristig verdient man mit Aktien anteilsmäßig in etwa so viel, wie die Wirtschaft im Jahr wächst. Derzeit sind das 3,5 Prozent. Es gibt Zeiten, wo es auseinanderdriftet, sagt Thorsten Hens von der ETH Zürich. Seit 1870 habe sich das aber etwa im Gleichklang entwickelt. Wenn aber die Gewinne viel stärker wachsen als die Löhne, dann ist das anders. Das passiert vor allem in den USA, mit Abstrichen aber auch bei uns.

Als Kapitalist profitiere ich dann davon, dass die Welt ungleicher wird. Wenn Sie sich damit nicht wohl fühlen – so wie ich –, dann können Sie sich zum Beispiel für einen stärkeren Sozialstaat oder ein durchlässigeres Bildungssystem einsetzen.

Geld langfristig auf dem Sparbuch halten ist keine so gute Idee.
Foto: APA/BARBARA GINDL

Noch ein Argument für die Aktie: Ich kenne Sie zwar nicht persönlich, weiß aber, dass viele von Ihnen ihr Geld auf dem Konto oder dem Sparbuch liegen haben. Das verraten mir die Statistiken. Ihre Ersparnisse liegen aber nicht einfach im Tresor Ihrer Hausbank herum, sondern gehen über Kredite an Firmen. Sie stellen Ihr Geld also genauso der Wirtschaft zur Verfügung, nur verdienen Sie kaum etwas daran.

Sie wollen die Welt zum Besseren verändern? Schön. Ich versuche auch, meinen Teil beizutragen. Aber nicht mit meinem Geld. Vor einigen Wochen habe ich geschrieben, dass ich kein hohes Risiko eingehen möchte. Wenn ich mein Geld jetzt aber zum Beispiel in erneuerbare Energien oder Mikrokredite stecke, tue ich genau das. Ich habe keine Ahnung, wie Firmen dastehen, die mit Fotovoltaik ihr Geld verdienen. Meine Finger will ich mir damit nicht verbrennen.

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Die Welt verändern? Gerne. Aber nicht via Anlage.
Foto: ap / Dieu Nalio Chery

Seitens eines Ingenieurbüros hat man mir in einer Mail erklärt, sie würden an einem Solarprojekt in Kärnten arbeiten. Ich könnte mein Geld ja in ein Kraftwerk stecken. Aber was weiß ich schon darüber? Ich habe die Entscheidung getroffen, dass das für mich nichts ist. In einigen Wochen werde ich aber über Möglichkeiten schreiben, mit seinem Geld die Welt besser zu machen. Viele von Ihnen haben darum gebeten.

Dass es Konzerne gibt, ist nichts Schlechtes. Sie können vieles effizienter und erfinden mehr neue Dinge als kleine Unternehmen. Autos waren etwa noch nie so sauber wie heute, daran ändert auch der VW-Skandal nichts. Pharmakonzerne haben Medikamente entwickelt, die Leben retten. Natürlich treiben viele auch Schindluder. Und politisch zu mächtig sollten wir sie nicht werden lassen.

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Sind kleine Firmen immer besser? Ich glaube nicht.
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Meiner persönlichen Erfahrung nach behandeln und bezahlen große Firmen ihre Mitarbeiter auch deutlich besser als eine kleine Werkstatt ihre fünf Mechaniker. Dass Konzerne auch in Ländern arbeiten, wo die Rechte von Menschen mit Füßen getreten werden, ändert daran nichts. Nicht dass es das besser machen würde, aber das wäre auch ohne die ausländischen Konzerne so. Microsoft, Apple und Co sind keine Heiligen – aber auch nicht die Bösewichte, zu denen sie in Österreich viele machen.

Nächste Woche schreibe ich darüber, was ich im vergangenen halben Jahr über Geld gelernt habe. Sie finden den Text hier. Wenn Sie sichergehen wollen, dass Sie künftige Beiträge nicht verpassen, können Sie sich hier für meinen Newsletter eintragen. Ich bin gespannt, was Sie von meinem Artikel halten. Wie sehen Sie das? Darf man mit Geld mehr Geld verdienen? Haben Sie Ihre Ersparnisse ethisch veranlagt? Posten Sie im Forum. (Andreas Sator, 20.7.2017)