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Nein, das ist nicht Recep Tayyip Erdoğans neues Kabinett: Beim Besuch von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Ankara ließ der Staatschef seine Leibgarde in historischen Kostümen antreten.

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Ankara/Athen – Mindestens einen hat die lang erwartete Regierungsumbildung in Ankara am Mittwoch unglücklich gemacht. "In der Politik gibt es keine Gerechtigkeit", twitterte Burhan Kuzu, einer der Scharfmacher in der regierenden konservativ-religiösen AKP, der auf einen Ministerposten gehofft hatte. Kuzu hatte schon einmal einen der jährlichen EU-Fortschrittsberichte zur Türkei vor laufender Kamera in den Mistkübel geworfen und Österreichs Kanzler Christian Kern per Tweet wissen lassen: "Verpiss dich, Ungläubiger!"

Staats- und Parteichef Tayyip Erdoğan tauschte nun fünf Minister im Kabinett aus, das formell noch weiter von Regierungschef Binali Yıldırım geführt wird. Nach der nächsten Präsidenten- und Parlamentswahl – spätestens im Herbst 2019 – tritt die Verfassungsänderung in Kraft, und das Amt des Premiers wird abgeschafft. Große Überraschungen gab es bei dieser Umbildung nicht. Loyalität und Verjüngung waren die bestimmenden Kriterien bei den Personalrochaden.

Außenminister bleibt

Erdoğan ließ sowohl Wirtschaftsminister Mehmet Şimşek wie Außenminister Mevlüt Çavusoğlu im Amt. Şimşek ist der letzte Vertreter des Finanz- und Wirtschaftsteams, das die Türkei durch die Boomjahre führte und internationalen Investoren Vertrauen gab. In Çavusoğlus Amtszeit seit 2014 sind die Beziehungen der Türkei zu Österreich und einer Reihe anderer EU-Staaten auf einem Tiefpunkt angelangt. Beim Verfassungsreferendum im April war Çavusoğlu auch einer der Minister, der in seinem Heimatbezirk keine Mehrheit für ein Ja geschafft hatte. Erdoğan honorierte nun gleichwohl seine Loyalität. Justizminister Bekir Bozdağ und Verteidigungsminister Fikri Işık mussten ihre Ressorts abgeben, erhielten aber den Titel eines stellvertretenden Premiers. Zu den vergleichsweise jungen Neuzugängen ohne Kabinettserfahrung zählen Hakan Çavusoğlu (45), der ebenfalls Vizepremier wurde, der neue Justizminister Abdülhamit Gül (40) und die neue Arbeits- und Sozialministerin Jülide Sarieroğlu (38).

Zwei peinliche Tweets

Sarieroğlu – nunmehr die zweite Frau im Kabinett – kam sogleich in den sozialen Medien wegen zweier Tweets aus dem Jahr 2013 in Bedrängnis. In dem einen Tweet gab sie während der Gezi-Proteste freudig eine Anti-Erdoğan-Demonstration in ihrer Heimatstadt bekannt; in dem anderen äußerte sie sich bewundernd über den Prediger Fethullah Gülen, mittlerweile zum Nationalfeind erklärt. Gülen selbst gab in einem Interview bekannt, dass Geheimdienstchef Hakan Fidan ihn zweimal in den USA besucht hatte.

Washington und Paris verlangten derweil die sofortige Freilassung der sechs Menschenrechtler, die am Montag in U-Haft genommen worden waren; unter ihnen sind die Direktorin von Amnesty International, Idil Eser, und ein deutscher Bürgerrechtler. Berlin bestellte am Mittwoch deshalb den türkischen Botschafter ein. (Markus Bernath, 19.7.2017)