Arnulf Rainer "Ohne Titel", 2015/16, zu sehen im Lentos.

Foto: Arnulf Rainer

"Die Farben des Malers" im Badener Arnulf Rainer Museum.

Foto: Kramar/Kollektiv Fischka

Linz – Eines ist sicher: Altersmüde ist Arnulf Rainer, dieser große österreichische Übermalungs- und Überraschungskünstler, auch mit 87 Jahren sicher nicht. Und auch sein Publikum muss die Augen frisch und offen halten, zumal, wenn es im Linzer Lentos landet, wo Kurator Rudi Fuchs das Untergeschoß mit Rainer-Bildern geradezu geflutet hat: furiose Hiebe, nervöse Striche, hauchdünne Schleier, abrupte Schlenker, blickdichte Farbvorhänge, verteilt auf 144 Arbeiten, alle im A3-Format.

Im Linzer Lentos zeigt Kurator Rudi Fuchs unzählige Arbeiten aus Rainers letzten Werkgruppen: Das Vokabular wird lichter, heller, leichter.
Foto: Susanne Maschek

Dabei sind die auf dickem Bütten gemalten Bilder, wie sein langjähriger Freund und Lieblingskurator Rudi Fuchs im Katalog schreibt, nur eine kleine Auswahl aus Rainers aberhunderte Werke umfassendem Konvolut, das er in den vergangenen zwei Jahren in seinen Ateliers in Oberösterreich und in Teneriffa geschaffen hat. Immer in seinem zuletzt bevorzugten Format, 42 mal 30 Zentimeter, weil er dessen Umfang besser überblicken könne und ihm wohl die Nähe zu der zu bemalenden Fläche besonders wichtig sei.

Rainer, der serielle Maler, der in seinen Atelierräumen immer an mehreren Bildern gleichzeitig arbeitet, von Blatt zu Blatt geht, hinklatscht, draufhaut, drüberstreichelt, ist in seinem Alterswerk – zumindest im hier präsentierten – seinem Vokabular und seinem Farbspektrum treu geblieben, wenngleich es luftiger geworden ist, heller, leichter, auch poetischer, jedenfalls erstaunlich jugendfrisch. Es ist schlicht schön.

Rastlose Spannung

Schön auch, in dieser engen Zusammenschau, in dieser Bilderflut die feinen Unterschiede, Variationen, Metamorphosen entdecken zu können, in die Farbspalten und -fugen und -netzwerke einzutauchen. Und immer ist sie zu spüren und zu bemerken: diese "rastlose Spannung in der impulsiven Kunst Rainers", wie es im Katalog heißt. Rudi Fuchs, der wohl profundeste Rainer-Spezialist, hat mit diesem Blätterwald im Lentos ein gerüttelt Maß an Experimentierfreude bewiesen. Denn so viele Bilder, alle im gleichen Format, ist – auch – eine eklatante Überforderung. Gut so.

Etwas ruhiger geht es im Arnulf-Rainer-Museum in Baden zu. Weniger eine Bilderflut denn ein Bilderbad ist die noch bis Oktober zu sehende Ausstellung "Die Farben des Malers". Das Konzept von Kurator Helmut Friedel bestand darin, Werke aus verschiedenen Schaffensphasen Rainers nach den jeweils vorherrschenden Farben zu gruppieren.

Auf die "Farben des Malers" fokussiert die aktuelle Ausstellung im Badener Arnulf Rainer Museum.
Foto: Kramar/Kollektiv Fischka

So gibt es hier einen Raum, der sich der Farbe Rot widmet, und einen anderen, wo blaue Töne dominieren. Klingt schlicht, entfaltet in den klassizistischen Räumlichkeiten des Badener Museums aber eine wunderbare Wirkung. Errichtet 1821 nach einem Entwurf des Architekten Charles de Moreau, war das Gebäude ehemals ein Frauenbad; ab 1973 nutzte man es als Schauraum, seit 2009 ist es ganz dem in Baden geborenen Rainer gewidmet.

So zeitlos, wie sich Rainers Gesten, Farbflächen und -wasserfälle hier geben, ist auch die konzeptuelle Unterfütterung von Friedel: Einen Auszug aus Leonardo da Vincis Traktat über die Malerei stellt Friedel voran, worin das italienische Universalgenie die Farben Weiß, Gelb, Grün, Blau, Rot und Schwarz als "einfache Farben" herausstellt und in eben die genannte Reihung bringt.

Ja, und den Verwandlungen dieser Farben (und ihren Auseinandersetzungen mit den jeweils anderen) folgt man auch in Baden. Man vergleicht ihre Wirkungen in Übermalungen organischer Strukturen oder selbst naturhaft anmutenden Bildtafeln. Bemerkenswert ist dabei auch, dass sich so manche Arbeiten aufgrund der Architektur des Museums nicht aus unmittelbarer Nähe betrachten lassen. Etwa die grünen Arbeiten, die nur von einem Steg aus betrachtet werden können, der in einen hohen, ehemals als Badebecken fungierenden Raum gebaut wurde. Schau mir nicht auf die Details, schau nicht, wie ich gemacht bin, scheinen diese Bilder zu sagen – nimm meine Wirkung. Tut man gern. (Andrea Schurian, Roman Gerold, 20.7.2017)