Die britische Premierministerin musste am Donnerstag zum letzten Mal vor der Sommerpause im Unterhaus in die Fragestunde. May steht nach dem Verlust der absoluten Mehrheit unter Druck.

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Wäre es nicht viel schöner, eine Prinzessin zu sein als Premierministerin? Dann bekäme Theresa May dauernd Blumen überreicht, wie gestern die Royals Kate und Charlotte bei ihrer Ankunft in Berlin. Ihre öffentlichen Gespräche bestünden entweder aus freundlichem Smalltalk oder der gegenseitigen Versicherung, wie lieb sich Briten und Deutsche/Polen/Holländer trotz des Brexits doch eigentlich haben.

Stattdessen musste sich die konservative Regierungschefin auch am Mittwoch wieder mit den impertinenten Fragen von Oppositionsabgeordneten herumschlagen. Sein Wahlkreis Coventry sei ja das Zentrum der Forschung nach dem fahrerlosen Mobil, erläuterte der Labour-Abgeordnete Geoffrey Robinson und fügte unter dem Gejuchze seiner Fraktion hinzu: "Vielleicht will die sehr ehrenwerte Dame ihre Regierung nach Coventry verlegen?"

Die Fragestunde
UK Parliament

Die Anspielung auf den chaotischen Eindruck, den das Kabinett in den vergangenen Tagen hinterlassen hat, überhörte die Konservative genauso wie die Frage eines anderen Labour-Mannes, der provokant von Theresa May als Interimspremier und von deren temporärem Finanzminister Philip Hammond sprach.

Spitze weiter uneinig

In Wirklichkeit wirkt die vor sechs Wochen von der Wählerschaft abgestrafte Tory-Minderheitsregierung insgesamt wie ein Unternehmen auf Zeit, dem auch die teuer erkaufte Unterstützung durch Nordirlands Unionisten nicht wirklich geholfen hat.

Hauptgrund für die täglich in den Medien ausgetragenen Kabinettsstreitigkeiten ist Großbritanniens Ausstieg aus der EU. Offiziell begannen am Montag in Brüssel die ersten echten Verhandlungen zwischen dem 98 Menschen starken Team Großbritannien und EU-Chefunterhändler Michel Barnier. In Wirklichkeit wachsen auf dem Kontinent die Zweifel, ob die Briten selbst eigentlich wissen, welche Ziele sie haben.

Die bei sechs verschiedenen Londoner Ministerien bestehenden 18 Arbeitsgruppen begnügen sich offenbar bisher weitgehend mit Problembeschreibungen – Lösungsvorschläge halten die Beamten wohl für problematisch, solange sich die politische Spitze nicht einig ist.

Offiziell gilt weiterhin Theresa Mays harter Brexit-Kurs mit Austritt aus Binnenmarkt und Zollunion. Auf Drängen der Wirtschaftsverbände legen sich aber Hammond und Wirtschaftsminister Greg Clark für mindestens zweijährige Übergangsregelungen ins Zeug, in denen die Bestimmungen des Binnenmarktes weiterhin gelten sollen.

Dies bekämpfen EU-Feinde wie Boris Johnson, Andrea Leadsom und Michael Gove. Brexit-Minister David Davis gibt sich hingegen in letzter Zeit pragmatischer, offenbar in der Hoffnung, die angeschlagene May in der Downing Street beerben zu können.

Prompt richten die Brexit-Fanatiker ihr Feuer nicht mehr auf Hammond, sondern auf Davis: Der sei "eine faule Kröte, dämlich wie Hackfleisch und eitel wie Narziss", hat ein enger früherer Mitarbeiter des als intrigant bekannten Umweltministers Gove zu Protokoll gegeben.

Ohnehin herrscht unter Tories beim Thema Brexit ein rauer Umgangston: Gegenseitig bezeichnen sich die Adepten des harten und weichen Brexits als "Arschlöcher" ("fuckers") und "Wichser" ("wankers").

Schlagabtausch ums Geld

Die Kämpfe in den Medien müssten aufhören, mahnte May am Dienstag im Kabinett, sonst werde ihr Erbe am Ende Labour-Mann Jeremy Corbyn sein. Der neuerdings sehr selbstbewusst auftretende Labour-Oppositionsführer tadelte im Unterhaus milde "Zank und Verleumdungen im Kabinett" und eine "zerstrittene Regierung ohne Führungskraft", worauf May die Patriotismuskarte zog: Corbyn mache das Land schlecht. Gelächter im Saal.

Mühsam schleppt sich die Regierungschefin in die am Freitag beginnenden Parlamentsferien. Beim Wanderurlaub in der Schweiz will sie über den Sommer neue Kraft tanken. Vielleicht findet sich dort eine gnädige Seele, die der erschöpften Engländerin einen Blumenstrauß überreicht wie den Prinzessinnen dauernd in Berlin, Heidelberg und Hamburg. Brexit-Minister Davis hingegen muss sich heute, Donnerstag, auf einen heftigen Schlagabtausch gefasst machen.

Am Ende der ersten echten Verhandlungswoche geht es in Brüssel um Großbritanniens ausstehende Finanzverpflichtungen gegenüber der EU. (Sebastian Borger aus London, 20.7.2017)