Auch im früheren Heim in Schwaz gab es Misshandlungen.

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Innsbruck – Die Entschädigung für Heimopfer des Landes Tirols sorgt weiterhin für Kritik. Denn seit 2014 sind die ausgezahlten Beträge deutlich gesunken. Zudem hält man seitens des Landes an der Verjährungsfrist fest. Es geht dabei nicht um Einzelfälle, die mit geringen Summen abgespeist wurden. Wie dem STANDARD vorliegende Zahlen nun belegen, hat Tirol rund ein Drittel der Heimopfer mit weniger als 5.000 Euro entschädigt. Von bisher 610 Fällen betrifft das 196.

Dabei hat die vom Land selbst im Jahr 2010 eingesetzte Steuerungsgruppe Opferschutz, eine Expertengruppe, die ehrenamtlich Richtlinien zum angemessenen Umgang und zur Entschädigung der Betroffenen erarbeitet hat, noch empfohlen, pro Opfer mindestens 15.000 Euro zuzuerkennen und in Härtefällen auf Verjährung zu verzichten. Doch offenbar waren diese Richtlinien der Steuerungsgruppe ein Feigenblatt, umgesetzt wurden sie nicht.

"Wissen nichts von Handlungsempfehlungen"

Der Grund dafür ist offenbar, dass diese Empfehlungen der Steuerungsgruppe nie an die Opferschutzkommission, die über die einzelnen Fälle und die ihnen zustehenden Beträge entscheidet, kommuniziert wurden. Dies bestätigt ein Kommissionsmitglied, der ehemalige Tiroler Landesrechnungshofpräsident Klaus Mayranhof: "Wir wissen nichts von diesen Handlungsempfehlungen. Das wäre aber vielleicht hilfreich für uns gewesen."

Mayranhof zeigte sich über die im STANDARD berichteten, deutlich geringeren Entschädigungszahlungen der Tiroler Kommission verwundert: "Wir haben und wollten uns nicht an anderen orientieren. Diesbezüglich gab es auch keine Vorgaben." Dabei hatte Landeshauptmann Günther Platter 2010 noch öffentlich zugesagt, Tirol werde zwar nicht die 15.000-Euro-Empfehlung der Steuerungsgruppe übernehmen, sich aber an den Sätzen der Klasnic-Kommission, die mindestens 5.000 und bis zu 25.000 Euro zahlt, orientieren.

Warum nun seit 2014 in Tirol so eklatant niedrige Summen ausgezahlt wurden wie von keiner anderen Kommission, begründet Mayranhof damit, dass es sich vorwiegend um Fälle der Kinderbeobachtungsstation von Maria Nowak-Vogl gehandelt habe. Diese seien anders zu beurteilen als klassische Heimopferfälle. Experten wie Historiker Horst Schreiber bezweifeln jedoch, dass ein Drittel aller Fälle Tirols Nowak-Vogl betroffen habe. Zudem sei durch wissenschaftliche Aufarbeitung bekannt, dass auf deren Station Misshandlungen auf der Tagesordnung standen. (ars, 20.7.2017)