Lang zugeschaut, jetzt auf den Tisch gehauen: Die deutsche Regierung lässt sich nicht länger die Zumutungen der politischen Führung in Ankara gefallen. Die fortgesetzten Verhaftungen deutscher Staatsbürger haben in Berlin die Einsicht reifen lassen, dass der türkische Präsident und seine Regierung gar nicht an einer Beilegung bilateraler Streitfragen interessiert sind. Deniz Yücel, Mesale Tolu, Peter Steudtner und ein halbes Dutzend anderer deutscher Bürger sind als Faustpfand gedacht. Als Verhandlungsmasse für Tayyip Erdogan, der die deutsche Regierung zur Überstellung angeblicher Verschwörer und Terroristen zu zwingen versucht.

Das funktioniert natürlich nicht. So groß aber sind mittlerweile Verblendung und Hybris, vielleicht auch die Furcht, doch einmal die Kontrolle über Land und Wähler zu verlieren, dass die Verantwortlichen in Ankara offenbar ohne große Überlegung in die Konfrontation mit Deutschland hineingesteuert sind. Sie verweisen zwar auf die Unabhängigkeit ihrer Justiz. Doch die Rechtsprechung in der Türkei widerlegt sie, die zusammengestoppelten Anklageschriften, die faktische Kontrolle, die der Präsidentenpalast und der Justizminister über den Gang der Gerichte ausüben.

Die Konsequenzen der in Berlin angekündigten "Neuausrichtung" der Beziehungen werden erheblich sein. Reisewarnungen und Investitionsstopp treffen die Türkei. Andere in der EU werden den Deutschen folgen. (Markus Bernath, 20.7.2017)