Nicht ganz eindeutig aber ziemlich wahrscheinlich: Die Grafik zeigt ein Ereignis, bei dem es sich um den gesuchten Zerfall eines Higgs-Teilchens in Quarks handeln könnte.

Grafik: ATLAS-Kollaboration

Freiburg/Genf – Physiker am Kernforschungszentrum Cern bei Genf in der Schweiz haben handfeste Hinweise dafür gefunden, dass das Higgs-Teilchen unter anderem in zwei Bottom-Quarks, also zwei wesentliche Bausteine der Materie, zerfällt. Die Entdeckung bestätigt nicht nur bisherige Vorhersagen, sondern liefert auch eine Erklärung dafür, warum das Higgs-Boson – jenes Teilchen also, das den Elementarteilchen ihre Masse verleiht und im Jahr 2012 erstmals beobachtet werden konnte – so kurzlebig ist.

Die Wissenschafter haben Datensätze analysiert, die in den Jahren 2015 und 2016 mit dem ATLAS-Detektor am Large Hadron Collider (LHC) aufgezeichnet wurden. "Die starken Hinweise, dass das Higgs-Teilchen, wie von der Theorie vorhergesagt, auch in Quarks zerfällt, fügt dem Wissen über dieses Teilchen einen weiteren wichtigen Baustein hinzu", sagt Christian Weiser von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. "Ziel ist nun, die Existenz dieses Zerfalls zweifelsfrei nachzuweisen und auf dieser Grundlage die Eigenschaften des Higgs-Teilchens genauer zu messen."

Hinweise auf eine neue Physik

Die Vermessung des Zerfalls ist den Forschern zufolge enorm wichtig, um die kurze Lebensdauer des Higgs-Teilchens zu erklären. Messbare Abweichungen von den Vorhersagen der Standardtheorie könnten auf so genannte neue Physik – jenseits des Standardmodells – hindeuten.

Die Entdeckung des Higgs-Teilchens durch die Experimente ATLAS und CMS am LHC-Beschleuniger am CERN im Jahr 2012 stellte einen Meilenstein der Physik dar, war die Existenz dieses Teilchens doch bereits nahezu 50 Jahre zuvor vorhergesagt worden. Es ist ein äußerst kurzlebiges Teilchen, das nahezu sofort nach seiner Produktion in andere Teilchen zerfällt. Die Häufigkeit, mit der diese Zerfälle in verschiedene Teilchen auftreten, kann im Rahmen der zu Grunde liegenden Theorie berechnet werden.

Schwer fassbarer Zerfall

Bisher haben Forscher Zerfälle in andere Teilchen – so genannte W- und Z-Bosonen, Photonen und Tau-Leptonen – zweifelsfrei nachgewiesen. Den Zerfall des Higgs-Teilchens in ein Paar von b-Quarks, der mit einer Wahrscheinlichkeit von fast 60 Prozent am häufigsten auftreten sollte, konnten sie bisher jedoch nicht beobachten.

Dies liegt daran, dass es eine Vielzahl anderer Prozesse gibt, die von Zerfällen des Higgs-Teilchens in b-Quarks nur schwierig zu unterscheiden sind und mit einer ungleich höheren Rate auftreten. Nun jedoch liegen endlich entsprechende Hinweise vor: Die Wahrscheinlichkeit, dass das beobachtete Signal ausschließlich von anderen Prozessen vorgetäuscht wird, beträgt lediglich 0,018 Prozent. Die Ergebnisse wurden auf der Konferenz der Europäischen Physikalischen Gesellschaft (EPS) in Venedig präsentiert. (red, 22.7.2017)