Eine Koalition mit einer Partei, die antisemitische Äußerungen toleriert, ist für ÖVP-Frontfrau Elisabeth Köstinger "nicht vorstellbar".

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

STANDARD: Das Programm der "Neuen Volkspartei" wird erst einen Monat vor der Wahl vorgestellt. Aber ganz allgemein betrachtet: Wird die ÖVP liberaler mit Sebastian Kurz?

Köstinger: Es geht weniger um links, rechts oder eine andere politische Verortung, sondern darum, was die besten Lösungen für das Land sind. Das hat Sebastian Kurz schon als Integrationsstaatssekretär und Außenminister gezeigt: Man kann auch mit Positionen anderer Parteien übereinstimmen, wenn es in einer Sache das Richtige ist. Diese Breite ist unser Anspruch, und das wird sich dann auch im Programm manifestieren.

STANDARD: Ihre Schwesterpartei, die deutsche CDU, hat sich soeben für die Homo-Ehe geöffnet. Wenn es auch hierzulande eine freie Abstimmung über die Ehe für alle gäbe, wie würden Sie votieren?

Köstinger: Wie fast jeder habe auch ich gleichgeschlechtliche Paare in meinem Bekanntenkreis. Mir ist wichtig, dass es in einer zivilrechtlichen Verbindung, egal zwischen wem, keine Diskriminierung gibt. Da sind wir in Österreich auf einem sehr guten Weg. Deutschland war da in vielen Bereich noch hinten nach.

STANDARD: Sie würden zur Ehe für alle also derzeit Nein sagen?

Köstinger: Genau.

STANDARD: Es sollen hundert Quereinsteiger für die türkise Bundesliste vorgestellt werden. Welche Rolle sollen die alle spielen?

Köstinger: Unser Anspruch ist es, die Volkspartei zu öffnen, sodass es erstmals möglich ist, auch ohne Parteibuch bei uns Mandatar zu sein. Das ist ein großer Schritt für eine Partei wie uns. Die externen Experten können beispielsweise Bereichssprecher für uns werden.

STANDARD: Was wäre Ihre bevorzugte Koalitionsvariante?

Köstinger: Mit dieser Frage befassen wir uns nach der Wahl.

STANDARD: Von dem FPÖ-Abgeordneten Johannes Hübner sind nun antisemitisch gefärbte Äußerungen bekannt geworden. Würde die ÖVP mit einer FPÖ koalieren, in der er eine Funktion innehat?

Köstinger: Das ist absolut nicht vorstellbar. So etwas ist inakzeptabel.

STANDARD: Was sind für die ÖVP die Grenzen für eine Zusammenarbeit?

Köstinger: Das ist genau die Frage, die man sich dann in Koalitionsverhandlungen zu stellen hat. Wir haben ein klares Wertefundament, auch als proeuropäische Partei, dafür steht auch Sebastian Kurz. Diese Scheindebatten über Wertekataloge, die von der SPÖ geführt werden, dienen aber nur dem Machterhalt.

STANDARD: Selbst amtsbekannte Quertreiber aus der Partei haben sich einen Maulkorb verpassen lassen. Was macht Kurz anders, dass sich die ÖVP plötzlich doch in Zaum halten lässt?

Köstinger: Sebastian Kurz steht für einen klaren Führungsstil und klare Ansagen. Damit setzt er sich jetzt auch in der Volkspartei durch. Er selbst reagiert auf Angriffe nicht mit Gegenangriffen. Damit ist er ein gutes Vorbild für die Funktionäre. Viele haben sich damit zu Beginn noch recht schwergetan, aber der Erfolg der letzten Wochen gibt uns recht.

STANDARD: Kann eine Großpartei denn nur überleben, wenn sie mit autokratischem Selbstbewusstsein geführt wird?

Köstinger: In den ersten Wochen wurde uns von "Alleinherrscherpartei" bis zu "eh nix dahinter" vieles zugeschrieben. Das entspricht alles nicht den Tatsachen. Wir wissen als Volkspartei, dass wir auch bei uns selbst anfangen müssen: Fehler erkennen, auch unseren eigenen Politikstil ändern.

STANDARD: Braucht es denn die schwarzen Bünde noch?

Köstinger: Die Bünde sind eine Stärke der Volkspartei, weil sie Interessen bündeln. Sie sind aber in vielen Bereichen auch nicht mehr zeitgemäß. Gerade im urbanen Bereich greifen die Institutionen nicht mehr so wie auf dem Land. Da brauchen wir auch neue Möglichkeiten. Die schaffen wir jetzt durch die Öffnung. Ziel der Bewegung ist es, Politikinteressierte einzuladen, etwas zu tun. Das ist aber keine Entweder-oder-Frage, es braucht beides.

STANDARD: Wenn durch Vorzugsstimmen das parteiinterne Reißverschlusssystem ausgehebelt wird, wären Frauenquoten denkbar?

Köstinger: Wir schaffen mit dem Reißverschlusssystem Chancengleichheit. Frauen brauchen sich vor einem Vorzugstimmenwahlkampf nicht zu fürchten. Wenn man für etwas steht und klare Positionen hat, dann wird man gewählt. Ich will Frauen nicht immer in einer Opferrolle sehen, die können sich ruhig dem Wettbewerb um die beste Politik stellen.

STANDARD: Also keine Quoten?

Köstinger: Ich sage immer, eine Quote allein ist keine Frauenpolitik. Ich muss Frauen, und das fängt im Mädchenalter an, fördern und unterstützen. Wo es Ungleichheiten gibt, muss ich die ausmerzen. Die Frauenquote in Aufsichtsräten, die wir gerade beschlossen haben, halte ich beispielsweise für gut und richtig, um das System aufzubrechen.

STANDARD: Ungleich ist derzeit das Pensionsantrittsalter. Sollte es früher angeglichen werden?

Köstinger: Frauen sind speziell von Altersarmut betroffen. Das hat natürlich auch oft damit zu tun, dass sie kürzer im Erwerbsleben waren. Da gehen oft die guten Jahre im Pensionssystem verloren. Da muss man abwägen – zugunsten der Frauen. Gerade Alleinerzieherinnen sind oft im Alter benachteiligt. Da gibt es in der Politik sehr wohl Handlungsbedarf.

STANDARD: Finanzminister Hans Jörg Schelling kritisiert nun die Abschaffung des Pflegeregresses, für die die ÖVP geschlossen gestimmt hat. War das also ein Fehler?

Köstinger: Das war eine klare Entscheidung mit klaren Parametern und wird von uns umgesetzt.

STANDARD: Sie sammeln derzeit Spenden für den Wahlkampf von Sebastian Kurz. Wie viel Geld wird die Partei beisteuern müssen?

Köstinger: Das kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Wir wollen aber, was die Finanzierung betrifft, neue Wege gehen. Es wird keine Personenkomitees oder Vereine geben, die versuchen, Wahlkampfkosten zu verschleiern. Wir versprechen, uns an die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu halten. Wir legen alles offen und erwarten von politischen Mitbewerbern, dass die da auch mitgehen. Gerade diese Anti-FPÖ-Plattform rund um den SPÖ-Anwalt Gabriel Lansky lässt schon vermuten, dass da die SPÖ auch versucht, durch die Hintertür eine Finanzierung aufzustellen. Das ist nicht unser Weg. Wir verpflichten uns zu absoluter Transparenz.

STANDARD: Bei Spenden bis 3500 Euro können die Geldgeber dennoch auswählen, dass sie nicht namentlich aufscheinen wollen.

Köstinger: Das ist die übliche Vorgehensweise bei solchen Spendenplattformen, wir haben das von den Wahlkämpfen von Irmgard Griss und Alexander Van der Bellen übernommen. Das hat auch etwas mit Datenschutz zu tun. Der überwiegende Teil der Spender macht das mit Namen.

STANDARD: Die Großspender für Kurz werden ausnahmslos alle namentlich ausgewiesen?

Köstinger: Ja, genau. (Katharina Mittelstaedt, 22.7.2017)