Thomas D. Trummer feiert das 20-jährige Bestehen des Kunsthaus Bregenz mit einer Dekonstruktion des Hauses von Adrián Villar Rojas. Im Herbst baut dann Architekt Peter Zumthor wieder auf.

Foto: KUB/Darko Todorovic

Das KUB wird in einem Atemzug mit großen Museen zeitgenössischer Kunst genannt.

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Das KUB (links) und das KUB Cafe (rechts).

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Bregenz – Das Kunsthaus Bregenz feiert sein 20-jähriges Bestehen. In diesen zwei Jahrzehnten wurde der Leuchtkörper, wie Architekt Peter Zumthor seinen mit dem Mies-van-der-Rohe-Preis ausgezeichneten Bau nennt, zum Ziel internationaler Architektur- und Kunsttouristen. 103 Ausstellungen und eine Million Besucherinnen und Besucher zählte man seit 1997. Ólafur Elíasson, Lawrence Weiner und Quotenstars wie Jeff Koons bespielten die vier Stockwerke des Betonbaus, den seine Fassade aus Opakglasschindeln unverwechselbar macht. Das KUB wird in einem Atemzug mit großen Museen zeitgenössischer Kunst genannt. Aktuell spielt Adrián Villar Rojas im Kunsthaus sein "Theater of Disappearance", ab September ist Peter Zumthor mit seiner Ausstellung "Dear to me" Gastgeber und Gestalter. Thomas D. Trummer, seit 2015 Direktor des KUB, gibt Einblick in die Erfolgsgeschichte seines Hauses.

STANDARD: Was macht die besondere Atmosphäre des KUB aus?

Trummer: Es beginnt beim Eingang. Kein mächtiges Portal, keine Lobby, keine Schwellen. Man betritt den Glaskubus und findet sich in einer anderen Welt. Eine riesenhafte Halle, ein großes Volumen in sämigem Licht und kühlem Beton, edle Einfalt. Peter Zumthors Gebäude ist ein Erlebnis. Die Geschäftigkeit bleibt draußen: Tatsachen, Verpflichtungen, Termine. Das Wort Befindlichkeit wird selten so treffend wie im Kunsthaus. Man findet sich ein und fühlt die eigene Achtsamkeit steigen. Und wagt sich vor – wie diesmal – in Höhlen und Höllen, Kapellen, Bunker und weiße Raumstationen.

STANDARD: Adrián Villar Rojas, der aktuell im KUB zu sehen ist, hat das Kunsthaus als Tempel der Architektur und die hier Beschäftigten als Mönche bezeichnet. Hat Sie das getroffen?

Trummer: Nein. Die Mitarbeiter des Technikteams sind tatsächlich wie die Hohepriester im Tempel Salomons. Sie schützen und hegen das Gebäude, kennen alle seine Raffinessen. Zugleich lassen sie künstlerische Stresstests zu. Das Gebäude wurde in den 20 Jahren nicht nur einmal auseinandergenommen und zusammengebaut. So hat es Peter Zumthor in seiner Festrede formuliert. Die Sorgsamkeit ist wahrscheinlich wirklich ein mönchisches Verhalten.

STANDARD: Haben schon Künstler abgesagt, weil das Haus wegen seiner Architektur zu schwer zu bespielen war?

Trummer: Nein, in meiner Ära hat noch keiner gesagt, es wäre zu auratisch, zu tempelhaft. Im Gegenteil. Erinnerungswürdig war der erste Besuch von Theaster Gates. Er kam mit einem Stoß Ausdrucke, in die er eingetragen hatte, wie seine Bilder zu hängen wären. Doch Importware ist nicht das Richtige für das KUB. Gates ging in die Mitte des Raumes, schaute sich um. Nach einigen Sekunden zerriss er seine Zettel und ließ sie auf den Boden sinken. Das war großartig. Er hatte sofort verstanden: Vorentwurf ist Makulatur, ich muss von Neuem beginnen, auf diese Situation, die sich vor mir ausbreitet, antworten. Dann ist Neues, Einmaliges möglich. Und so war es dann auch. Die ganze Ausstellung wurde vor Ort in Vorarlberg gebaut.

STANDARD: Mit welcher Ausstellung ist das besonders gut gelungen?

Trummer: Sehr stolz bin ich auf die Arbeit von Susan Philipsz, die das Haus zum Instrument gemacht hat. Sie hat auf die Gestimmtheit des Hauses geantwortet, sie in einen politischen, musikhistorischen Kontext gesetzt.

STANDARD: Kassel hat die Documenta, Venedig die Biennale, Bregenz sein Kunsthaus. Stimmt die Einordnung?

Trummer: Ja. Das KUB wird international wahrgenommen. Es gehört zu den ersten Häusern in Europa, wohl auch weltweit. An der Art Basel war Adriáns Ausstellung bei vielen Gesprächen Thema. Wir haben einen Bus organisiert, damit einige hierher fahren konnten. Da waren erstrangige Museumsdirektoren und -direktorinnen aus den USA dabei, einer der Gründer von Instagram saß im Bus. Sie haben sich einen Tag für Bregenz Zeit genommen.

STANDARD: "Die meisten Ausstellungen gehören zur Kunstgeschichte der Gegenwart." Das ist ein Zitat von Ihnen, ist das nicht etwas dick aufgetragen?

Trummer: Habe ich das gesagt? Ich stehe dazu: KUB-Geschichte ist Kunstgeschichte. Schließlich ist das eine Anerkennung für die Verdienste meiner Vorgänger und für das Team: James Turrell, Ólafur Elíasson, Louise Bourgeois, Pierre Huyghe, Tino Sehgal, Valie Export, Rosemarie Trockel, Danh Vō, Roni Horn – sie alle haben hier Unverwechselbares entstehen lassen.

STANDARD: Wer besucht das KUB, dieses Haus in der Provinz, woher kommen die Gäste?

Trummer: Die meisten der 40.000 bis 50.000 Besucherinnen und Besucher jährlich kommen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Vorstellung, was weit weg und provinziell ist, hat sich verschoben. Seit das KUB vor 20 Jahren eröffnet wurde, sprießen Biennalen aus dem Boden in den entfernten Winkeln dieser Erde, in Feuerland, Schanghai, Indien.

STANDARD: Entsprechen die Subventionen dem Rang des KUB?

Trummer: Wir haben einen besonderen Anspruch. Es soll Neues entstehen. Prototypen sind kostenintensiv. Doch sie zeigen Wirkung, überraschende und nachhaltige. Natürlich wünsche ich mir mehr als die aktuellen 2,55 Millionen Euro. Finanziert wird das Kunsthaus Bregenz vom Land Vorarlberg. Stolz sind wir auf den hohen Grad an Eigendeckung. 22 Prozent, das ist für ein Haus für bildende Kunst der Gegenwart beachtlich.

STANDARD: Welchen Stellenwert kann ein Kunsthaus in Zeiten flüchtigen Schauens noch haben?

Trummer: Seit 1997 hat sich die Kommunikation durch die kleinen Computer in unseren Taschen verändert. Wir können kaum noch ein stillgelegtes Bild ertragen, brauchen Kurzvideos und Pop-ups, um unser Interesse zu nähren. Bilder werden fast nur im digitalen Zustand verhandelt. Das KUB ist auch ein Raum des Analogen geblieben. Es ist ein Ort, an dem das Hasten von Links zu Likes, das Drüberwischen im wörtlichen Sinne, keinen Platz hat. (Jutta Berger, 22.7.2017)