Foto: Amnesty International

Zurzeit geht es für die Direktorin von Amnesty International in der Türkei, Idil Eser, um die Gewährung grundlegender persönlicher Rechte. Etwa um jenes auf Kontakt zu Freunden: Die im Istanbuler Frauengefängnis Bakirköy in Untersuchungshaft sitzende 53-Jährige dürfte laut den dortigen Besuchsregeln nur ihren Ehemann und Verwandte ersten Grades – also ihre Eltern und Kinder – empfangen.

Doch Eser ist alleinstehend, hat keine Kinder, und ihre Eltern sind beide schon tot. "Wir bemühen uns sehr, für Idils Bekannte und Freunde Besuchsrecht zu bekommen", schildert Andrew Gardner, Türkei-Experte in der Londoner Amnesty-Zentrale. Immerhin, so fügt er hinzu, sei seine Kollegin nun nicht mehr allein in einer Zelle eingesperrt, wie gleich nach ihrer Festnahme am 5. Juli, sondern sie teile sich eine solche mit der Menschenrechtsaktivistin Özlem Dalkiran. Diese ist bei demselben von der Polizei gestürmten Workshop für Bürgerrechtler festgenommen worden.

"Unverrückbare Überzeugung"

Gardner beschreibt Idil Eser als "sehr warmherzig", als jemanden "mit unverrückbarer menschenrechtlicher Überzeugung". In Istanbul geboren, verbrachte die Absolventin der renommierten dortigen Üsküdar American Academy for Girls lange Jahre in den USA. In New York machte sie an der Columbia University ihren Master in Internationalen Beziehungen und wechselte anschließend an die Chicago University. Doch ihr dortiges Studium der russischen Geschichte brach sie ab: Ihre Mutter war schwer erkrankt, also kehrte Eser, um diese zu pflegen, in die Türkei zurück.

Über Wasser hielt sie sich dabei als freie Übersetzerin, und gleichzeitig begann sie für NGOs zu arbeiten – etwa bei der auf Friedensarbeit fokussierten Helsinki Citizens Assembly und der Organisation Ärzte ohne Grenzen. Sie spezialisierte sich auf Budgetfragen im NGO-Bereich und hielt Vorträge an der Istanbuler Bilgi-Universität zu diesem Thema. Zu Amnesty Türkei stieß sie 2016, am 2. Mai wurde sie zur Direktorin ernannt.

Nun, 14 Monate später, sitzen mit ihr und dem Vorstandsvorsitzenden der türkischen Sektion, Taner Kiliç, gleich zwei nationale Spitzenrepräsentanten von Amnesty in Haft: laut Gardner eine "in der Amnesty-Geschichte erstmalige Situation". Die Vorwürfe nennt er "absurd". Tatsächlich drohen der Menschenrechtsverteidigerin Eser wegen "Verbrechen im Namen einer terroristischen Vereinigung" zehn Jahre Haft. (Irene Brickner, 22.7.2017)