Auf den ersten Blick sieht die Idee wie eine Win-win-Situation aus: Österreich hat zu viele Arbeitslose, aber zu wenige einheimische Kräfte, um die immer größere Zahl an alten Menschen zu pflegen. Da liegt es scheinbar nahe, Jobsucher – wie vom Sozialexperten Wolfgang Mazal angeregt – für die Betreuung einzuspannen.

Auf den zweiten Blick aber geht die Rechnung nicht auf. Wer etwa jahrelang am Bau Zementsäcke geschleppt hat, bringt vielleicht die Kraft mit, um Senioren aus dem Bett zu hieven, aber nicht zwangsläufig auch die gebotene Sensibilität. Der Umgang mit körperlich und geistig gebrechlichen Menschen setzt eine soziale Ader, Fingerspitzengefühl, ehrliches Engagement und nicht zuletzt hohe psychische Belastbarkeit voraus. Arbeitslose ohne Rücksicht auf Wollen und Können auf Pflegebedürftige loszulassen, ist eine gefährliche Drohung – für alle Beteiligten.

Fairerweise ist anzumerken, dass nach der ersten Aufregung auch Mazal klargestellt hat, nicht an Zwang zu denken. Nichts ist dagegen einzuwenden, wenn das Arbeitsmarktservice geeignete Klienten stärker motiviert und fördert, sich zu Altenbetreuern ausbilden zu lassen. Doch damit werden sich drohende Personalengpässe nur begrenzt bekämpfen lassen. Letztlich muss dieser so wichtige Beruf, etwa was die Ausbildung betrifft, attraktiver gemacht werden, damit ihn mehr Menschen aus freien Stücken ergreifen – und nicht nur aus einer Notlage heraus. (Gerald John, 25.7.2017)