Der eine (links im Bild), Teodor Currentzis, dirigiert heuer das erste Mal bei den Salzburger Festspielen. Der Mann mit dem lustigen Haarschopf, Peter Sellars, kehrt nach 17 Jahren zurück.

foto: thomas neuhold

Salzburg – Und über allem schwebt irgendwie der Geist des 2014 verstorbenen Gerard Mortier. "Karma" nennt das der US-amerikanische Regisseur Peter Sellars und meint eine Parallelität: 1992 startete Gerard Mortier mit Mozarts Oper "La clemenza di Tito" seine Intendanz, die den Festspielen ihre lang ersehnte Modernisierung bringen sollte. 2017 läutet der mit mindestens so vielen Erwartungshaltungen wie einst Mortier konfrontierte Markus Hinterhäuser seine Intendanz ebenfalls mit dem "Titus" ein.

Das Duo, unter dessen Leitung Mozarts letztes Opernwerk am Donnerstag Premiere hat, ist jedenfalls ein vielversprechendes: Festspielveteran Sellars, der unter Mortier das erste Mal 1992 an der Salzach arbeitete und im Jahr 2000 das bis dato letzte Mal hier inszenierte, auf der einen Seite; auf der anderen der 45-jährige Grieche mit russischer Staatsbürgerschaft Teodor Currentzis aus der weit im Osten gelegenen russischen Stadt Perm, der erstmals bei den Festspielen im Orchestergraben steht. Mortier war übrigens auch derjenige, der Currentzis das erste Mal nach Westeuropa geholt hatte.

Punk und Rock

Beide sind auf jeden Fall Publikumslieblinge – auch abseits der Kunst. Der stets gut gelaunt wirkende Sellars (59) mit dem lustigen Haarschopf und der auffallenden Mimik sowie der jugendlich wirkende Currentzis mit rebellischem Gehabe, das manche, die von Punk null Ahnung haben, an ebendiesen gemahnt.

Andere wieder sehen in Currentzis den optischen Rockstar unter den Dirigenten, der auch musikalisch den Geist des Rock 'n' Roll in die verstaubten Festspielgemäuer bringt. Bei seinem Festspieldebüt in der Felsenreitschule vergangenen Sonntag mit einer Interpretation von Mozarts Requiem gab es bereits stehende Ovationen. Wer Currentzis und Sellars gemeinsam erlebt, merkt bald, da haben sich zwei gefunden. Es ist wohl mehr als bloßes Gefloskel, wenn sie erzählen, dass bei den Proben nicht immer klar sei, wer jetzt Dirigent sei und wer gerade Regie führe. Man hört den beiden sehr gern zu.

Das Erste, was sie mit Mozarts letzter Oper aus dem Jahr 1791 und der dazugehörenden Geschichte über den milden, verzeihenden Herrscher gemacht hätten, war eine Art Säuberung, liefern sie einen Vorgeschmack auf die Premiere. Die Rezitative aus der Feder des Mozart-Schülers Franz Xaver Süßmayer seien gestrichen worden und nur dort wieder hinzugefügt, wo es um das Verständnis der Handlung gegangen sei. Mozart pur quasi.

Terror und Versöhnung

Besonderes Augenmerk wolle man bei diesem "Werk der Umkehr" (Sellars) auf die spirituelle Seite der letzten Lebensmonate von Wolfgang Amadeus Mozart legen, sagen Currentzis und Sellars unisono. In die originale Opernmusik habe man Teile der c-Moll-Messe eingebaut. In "tiefem Respekt" vor Mozart, wir Currentzis betont.

In der Interpretation von Peter Sellars ist "La clemenza di Tito" mit dem geläuterten Herrscher – Russel Thomas singt den Tito Vespasiano – ein höchst aktuelles Stück. Es gewinne in der Zeit "nach den Anschlägen in Brüssel und Paris eine ungemein große Kraft". Die Anschläge, der Terror, das sei quasi wie das Ende des ersten Akts: die brennende Stadt, die Zerstörung Roms.

Sellars verweist auf den zweiten Akt: Wie reagiere Europa auf den Terror? Wie könne es möglich werden, die Welt wiederherzustellen, "eine heilende Geste anzubieten"? Mozarts "Titus" sei, geschrieben in der Endphase von dessen Leben, auch über die Jahrhunderte hinweg eine Einladung, dass gerade jetzt Europa nach dem Terror wieder ein Ort der Aufklärung und Versöhnung werde. (Thomas Neuhold, 26.7.2017)