Eine neue Generationen von Satelliten könnte Aufnahmen machen, auf denen sogar Gesichter identifizierbar sind.

APA

London/Wien – US-Wissenschafter der Johns Hopkins University in Baltimore machten im April eine erstaunliche Beobachtung: Bei der Auswertung von Satellitenbildern des militärischen Testgeländes in Punggye-ri in Nordkorea entdeckten sie neben Wächterbaracken und Stollenausgängen ein Feld, auf dem vermutlich Arbeiter gerade Volleyball spielten. Daraus schlossen die Forscher, dass sich die Anlage vermutlich in einer Art Stand-by-Modus befindet.

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Ausgespäht: Mittels Satellitenaufnahmen konnte man im April Arbeiter eines Atomtestgeländes in Nordkorea beim Volleyballspielen beobachten.
Digital Globe / 38 North via Getty Images

Das nordkoreanische Regime weiß natürlich, dass seine Militäranlagen von Spionagesatelliten überflogen werden. Die Analysten räumten daher ein, dass es sich bei der beobachteten Aktivität um eine "taktische Pause" vor einem bevorstehenden Test handeln und Nordkorea hier bewusst falsche Signale setzen könnte, wie die New York Times berichtete.

Markt für zivile Nutzung

Hochaufgelöste Satellitenbilder sind aber nicht nur für das Militär, sondern auch für die zivile Nutzung von Interesse. Diese Aufnahmen sind aber meist noch recht grobkörnig. Der Grund liegt darin, dass die höchste auf dem freien Markt verfügbare Auflösung bei 31 Zentimetern pro Pixel liegt. Höhere Auflösungen sind nur für das Militär zugelassen.

Ähnlich wie GPS, das wie das Internet anfangs eine Militärtechnologie war, wurden Satellitenfotos erst 1992 für die zivile Nutzung freigegeben. Seitdem hat sich ein Markt entwickelt, als dessen Marktführer sich der Satellitenbetreiber Digital Globe etabliert hat, der auch die Aufnahmen der nordkoreanischen Militäranlage geliefert hat.

Immer höhere Auflösungen

Der Satellit Worldview-3, den das Unternehmen 2014 in den Orbit schoss, liefert Bilder mit einer Auflösung von 30 Zentimetern pro Bildpunkt. Doch schon in den 1960er-Jahren, als die Geheimdienste noch fürchteten, die Aufnahmen könnten in die falschen Hände geraten, machte das US-Militär bei Spionageflügen mit U2-Aufklärern über der Sowjetunion 30-Zentimeter-Aufnahmen – allerdings nicht aus dem (laut Nasa-Definition ab 100 Kilometer beginnenden) Weltall, sondern aus 21 Kilometer Höhe. Inzwischen dürfte die Technik weiter fortgeschritten sein.

Laut BBC haben die neuesten US-Spionagesatelliten des Typs KH-11 eine Auflösung von zehn Zentimetern pro Pixel. Damit wäre es möglich, Objekte wie Smartphones zu identifizieren oder sogar Gesichter. Der Hebel, die Auflösung von Satelliten zu erhöhen, ist, die Entfernung zur Erde zu verringern. Würde der Satellit Worldview-3 die Erde statt in 620 in lediglich 120 Kilometer Höhe umkreisen, läge die Auflösung theoretisch bei nur noch sechs Zentimetern.

Solche Vermutungen bestätigt der britische Militärexperte David Stopples von der University of London im Gespräch mit dem Standard: "Geheimdienstsatelliten erreichen eine Auflösung von zehn Zentimetern pro Bildpunkt. Mit Fortschritten in der Signalverarbeitung kann dies auf womöglich fünf bis zehn Zentimeter pro Pixel verbessert werden."

Satelliteninternet mit "Nebenfolgen"

Derzeit umkreisen 1300 aktive Satelliten die Erde. Die Zahl könnte in den kommenden Jahren deutlich steigen. Das US-Raumfahrtunternehmen Space X von Tesla-Gründer Elon Musk will in Kooperation mit Google in den nächsten Jahren gleich 7000 Satelliten in die Umlaufbahn schießen, um die Welt mit Satelliteninternet zu versorgen.

Um die Funkverbindung am Boden sicherzustellen und die Risiken von Kollisionen und dadurch resultierendem Weltraumschrott zu verhindern, sollen die Satelliten auf einer Höhe von 350 Kilometern fliegen, also deutlich tiefer als der kommerzielle Satellit Worldview-3. Damit wären sehr viel schärfere Satellitenaufnahmen möglich.

Ist die Überwachung von Bürgern ein bloßes Nebenprodukt der Internetversorgung oder der eigentliche Zweck? Man sollte den Konzernen keine bösen Absichten unterstellen, doch durch die Zunahme von Satelliten erhöht sich auch die Gefahr einer Totalüberwachung. Wer fährt wann mit dem Auto wohin? Wer bewegt sich wo im öffentlichen Raum? Künftig könnte Big Brother auch aus dem Weltall zuschauen. (Adrian Lobe, 26.7.2017)