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Herero-Frau beim Einkauf im Jahr 2017. Die Niederschlagung der Aufstände der Herero und Nama gegen die deutsche Kolonialmacht 1904 bis 1908 wurde 2015 von Berlin als Völkermord anerkannt.

Foto: REUTERS/Siphiwe Sibeko

Windhuk – Eigentlich sollte es vor wenigen Tagen so weit sein: Im New Yorker Stadtteil Manhattan war für vergangenen Freitag ein Gerichtstermin festgesetzt – eine Anhörung zu einem brisanten Thema der deutschen Kolonialvergangenheit, dem Völkermord deutscher Soldaten an rund 80.000 Herero und Nama in Namibia in den Jahren 1904 bis 1908.

Doch der Termin platzte. "Verschoben auf 13. Oktober 2017", hieß es. Der Grund war offenbar ein formalistischer: Berlin hatte keinen gesetzlichen Vertreter beauftragt, um den Termin wahrzunehmen, und sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, das Gerichtsverfahren zu verschleppen.

Die deutsche Regierung steht auf dem Standpunkt, dass ihr die Vorladung für den Prozess auf unangemessene Weise übermittelt worden sei. Statt dem Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke aus dem Jahr 1965 zu folgen, hätte die Vorladung auf diplomatischem Weg erfolgen müssen, weil Deutschland als staatlicher Souverän angeklagt sei, argumentiert Berlin. Unter den Klägern löste die Verzögerung des Verfahrens Unmut aus: Die Geduld der Herero sei am Ende angelangt, sagte deren gemeinsames Oberhaupt Vekuii Rukoro: "Deutschland versucht zu rennen, aber verstecken kann es sich nicht."

Aufarbeitung des Völkermords

Mit dem am 5. Jänner dieses Jahres angestrengten Verfahren wollen Vertreter der Herero und Nama durchsetzen, dass sie an den derzeitigen Verhandlungen zwischen der deutschen und namibischen Regierung um eine Aufarbeitung des Völkermords beteiligt werden. Sowohl Berlin wie Windhuk lehnen eine derartige Beteiligung aber mit der Begründung ab, dass es bei den Verhandlungen um eine zwischenstaatliche Vereinbarung gehe. Dahinter steht allerdings auch die Forderung der Herero und Nama nach Reparationszahlungen, die sowohl von deutscher wie auch von namibischer Seite abgelehnt werden.

Berlin vertritt die Auffassung, dass Wiedergutmachung bereits in Form von Entwicklungshilfe geleistet würde, während Windhuk allein den Herero und Nama zukommende Zahlungen zu vermeiden sucht. Bei den beiden Völkern handelt es sich um Minderheiten in Namibia, die den zahlenmäßig wie gesellschaftlich dominierenden Ovambo kritisch gegenüberstehen.

Die deutsche Regierung hatte anlässlich des hundertjährigen Gedenktags des Herero-Aufstands im Jahr 2004 erstmals eingeräumt, dass es sich bei dem Rachefeldzug der "Schutztruppe" gegen die aufständischen Herero und Nama um einen Völkermord gehandelt habe. Während der Kämpfe und in den anschließend eingerichteten Lagern waren mindestens 80.000 Herero und 10.000 Nama getötet worden.

Konvention gegen Völkermord

Forderungen nach Wiedergutmachung lehnt Berlin mit unterschiedlichen Begründungen ab: Neben der überproportional gewährten Entwicklungshilfe wird auch auf den Umstand verwiesen, dass die UN-Konvention gegen Völkermord erst ein halbes Jahrhundert nach den Vorgängen im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika verabschiedet worden sei und dass Zahlungen für Kriege in der Kolonialzeit einen Präzedenzfall mit unüberschaubaren Folgen schaffen würden.

Berlin und Windhuk teilten kürzlich mit, dass die Verhandlungen um die Aufarbeitung Fortschritte machten. Wann mit einem Abschluss der Gespräche zu rechnen ist, steht allerdings nicht fest. Das Thema des deutschen Genozids an den Herero und Nama wird im September auch die UN-Vollversammlung in New York beschäftigen. (Johannes Dieterich, 27.7.2017)