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Auf der Bühne vor Gleichgesinnten fühlt sich Präsident Donald Trump noch immer am wohlsten.

Foto: AP / Tony Dejak

Die beiden grauhaarigen Damen haben ihre Klappstühle am Straßenrand aufgestellt. 60 Kilometer sind sie gefahren, um da zu sein, wenn der Präsident kommt. Es ist heiß in der Sonne, aber tapfer halten sie ihre selbstgemalten Schilder hoch: "Enthebt Trump des Amtes" steht auf dem einen, "Rettet Medicare" auf dem anderen.

Doch sie sind in der Minderheit. Der Pulk von Menschen, der auf der anderen Straßenseite immer größer wird, ist gekommen, um zu feiern: den Mann, der ihnen versprochen hat, Amerika wieder groß zu machen, und dem sie zum Wahlsieg verholfen haben. Joe Dagati und seine Frau Jean sind extra früh gekommen, um einen Platz zu ergattern. Sind sie enttäuscht, dass Trump im ersten halben Jahr so wenig erreicht hat? "Aber nein", sagt Jean: "Er tut doch, was er kann." Gegner würden ihn behindern. Das Wichtigste ist, dass er kein normaler Politiker ist. "Er sagt, was er denkt."

"CNN ist das Letzte!"

Das tue er auch an diesem Abend: Dass die Medien darauf aus seien, ihm zu schaden, wiederholt er in seiner Rede. Dass er Amerikas Interessen an erste Stelle setzen werde. Das Recht auf Waffenbesitz verteidigen. Kriminelle Banden illegaler Einwanderer zerstören – und zwar "nicht auf politische korrekte Weise". Und natürlich: die Mauer zu Mexiko. Es ist die Rede, die er schon gehalten hat. Damals, im Wahlkampf. Dass er nun selbst dafür zuständig wäre, die Forderungen umzusetzen, stört die Zuhörer nicht. Sie rufen "CNN ist das Letzte", wenn er Medienbashing betreibt, und "Leg den Sumpf trocken", wenn er über Washington spricht.

Das Auf und Ab in der Stahlstadt Youngstown, Ohio wird auch im gleichnamigen Song von Bruce Springsteen besungen.
OberstKrautwaschl

Es ist ein guter Tag für Trump. In der Hauptstadt hat sich am Nachmittag der Senat dafür ausgesprochen, Beratungen über die Abschaffung von Obamacare aufzunehmen. Und hier in der Halle von Youngstown "im Herzen Amerikas", wie er sagt, ist er ohnehin in seinem Element.

Die Einführung des Präsidenten auf der Bühne hat die im sechsten Monat schwangere Lara Trump übernommen, Ehefrau von Trumps Sohn Eric. Es sei großartig, dass sie "einen Sohn in einer Welt willkommen heißen werde, in der Donald Trump unser Präsident ist", ruft sie.

Zahn um Zahn

Den Bezirk Mahoning, in dem Youngstown liegt, hat Trump bei der Wahl an Hillary Clinton verloren – aber so knapp, dass es trotzdem ein Sieg war. Denn die einstige Stahlregion ist traditionell demokratisches Kernland. 2016 aber liefen die Wähler scharenweise zu Trump über, der ihnen die Rückkehr verlorener Jobs versprochen hatte. Auch Leonard Eansic hat Trump gewählt. 30 Jahre lang sei er Demokrat gewesen, erzählt der schlanke ältere Mann. Auch Ehefrau Cecile und Tochter Cathleen, die beim Telekomkonzern Verizon arbeitet, haben für den Republikaner gestimmt. Bereut haben sie es nicht. Seit Trump Präsident sei, "sind plötzlich wieder Stellenanzeigen in der Zeitung", berichtet Cecile.

Er könne auch "präsidentiell" sein, und zwar besser als jeder seiner Amtsvorgänger außer "dem großen, verstorbenen Abraham Lincoln", hat Trump in der Halle gerufen. Aber seine Anhänger verlangen das gar nicht von ihm. In Youngstown sei das so: "Wenn einem einer eine reinhaut, haut man zweifach zurück", sagt Ex-Zahnarzt Dagati. So wie Trump. In seiner Stadt gehe es langsam bergauf. Dass die Konjunkturerholung schon unter Trumps Vorgänger Barack Obama begonnen hat, glauben sie hier nicht – oder wollen es zumindest nicht glauben. (Ines Zöttl, 26.7.2017)