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Jeden Tag kommt es in polnischen Städten zu Demonstrationen gegen die umstrittene Justizreform

Foto: Reuters/Agencja Gazeta/Kornelia Glowacka-Wolf

Die polnische Regierung hat vier Wochen Zeit, um die verfassungsrechtlichen Einwände der EU-Kommission bei mehreren Gesetzesvorhaben zur Reform von Justiz und bei Richterbestellungen zu berücksichtigen. Kommt sie dem nicht nach, könnte sowohl ein Verfahren auf Vertragsverletzung wie auch ein eigenes gemäß Artikel 7 des EU-Vertrages auf Stimmrechtsentzug in EU-Räten "sofort" in Gang gesetzt werden.

Das hat der für Grundrechtsfragen zuständige Vizepräsident Frans Timmermans am Mittwoch nach einer einhelligen Entscheidung des Kollegiums in Brüssel erklärt. An sich wollte die Kommission, wie vergangene Woche angekündigt, bereits Mittwoch Taten setzen. Da Polens Staatspräsident Andrzej Duda aber Teile der von der nationalkonservativen Regierung vorgeschlagenen und in Parlament und Senat beschlossenen Gesetzesänderungen nach Protesten nicht unterschrieben hatte, wurde das verschoben.

Timmermans ließ keinen Zweifel daran, dass die Regierung in Warschau ohne Korrektur eine "systematische Verletzung der Rechtsstaatlichkeit" zu verantworten habe. Die Unabhängigkeit der Gerichte sei nicht mehr gewährleistet, weil Richter beliebig von der Regierung politisch abberufen oder unter Druck gesetzt werden können. Dies nicht nur – wie 2016 beanstandet – auf Ebene der Verfassungsrichter, sondern über das Oberste Gericht bis hinunter auf Bezirksgerichtsebene.

Warschau sieht Erpressung

Präsident Jean-Claude Juncker kritisierte das scharf: Die EU könne "kein System akzeptieren, das die willkürliche Entlassung von Richtern ermöglicht", sagte er. Wenn die polnische Regierung fortfahre, Gerichte und Rechtsstaat zu untergraben, dann "können wir gar nicht anders, als Artikel 7 auszulösen". Die juristische "Atombombe" im EU-Vertrag sieht am Ende eines langen Evaluierungsprozesses mit Einbindung des EU-Parlaments und der Regierungen den Stimmrechtsentzug im Rat vor – wenn alle Staats- und Regierungschefs zustimmen.

Außenminister Witold Waszczykowski verwahrte sich in Warschau gegen "Einmischung" und "Erpressung" aus Brüssel, dies sei "unbegründet und verfrüht". (Thomas Mayer aus Brüssel, 26.7.2017)