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Rock 'n' Roller Link Wray in den späten 1970ern: Seine famosen Alben aus den frühen 70er-Jahren werden soeben wiederveröffentlicht.

Foto: Veuige / Dalle APRF / Picturedesk

Wien – Der Krach war nicht auszuhalten. Also verbannte Evelyn Wray ihren Mann Vernon aus dem Keller ihres Hauses. Er, sein Bruder und ihre Freunde sollten woanders lärmen. Bitte, danke und tschüss.

Die Vertriebenen schleppten ihr weniges Equipment in einen alten Hühnerstall am Rande des Grundstücks, weg vom Wohnhaus. Dort errichteten sie ihr Studio – ein großes Wort für eine kleine Holzhütte, in der sie mit teilweise schon verfallenen Instrumenten ihre Songs mit einer mickrigen Dreispurmaschine ohne Regler aufnahmen. Und dann war da noch der Gitarrenverstärker von Link Wray, dem Helden dieser Geschichte.

Der war derartig laut, dass sie ihn vor die Hütte stellen und ihn durch das Fenster aufnehmen mussten. Sonst hätte er alles andere übertönt. Das Klavier war rostig, und aufgescheucht vom infernalischen Lärm kamen die Hendln in ihrer orientierungslosen Panik mehr als einmal durchs Fenster geflattert.

All diesen Widrigkeiten zum Trotz entstanden im ländlichen Raum des US-Bundesstaats Maryland Anfang der 1970er-Jahre einige fantastische Alben von Link Wray. Darunter ist das titellose Link Wray, das das Label Light in the Attic nun wiederveröffentlicht. Es war lange vergriffen und nur um teilweise obszöne Sammlerpreise erhältlich.

Link Wray war Anfang der 1970er-Jahre bereits ein Rock-'n'-Roll-Veteran. 1929 wurde er als Fred Lincoln Wray in eine musikalische Familie von Indigenen des Shawnee-Stammes in North Carolina geboren. Mit acht Jahren tingelte er bereits mit der Familienband durch die Gegend, sein erster großer Eintrag in die Geschichte der Popmusik gelang ihm 1958.

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Damals erschien Rumble und wurde ein Hit, der sich millionenfach verkaufte. Eigentlich nur eine Blödelei Wrays, die ohne besonderen Anspruch oder Ehrgeiz aufgenommen worden war und über eine Reihe von Zufällen und Umwegen ihren Weg ins Radio fand – aber nicht in alle.

Der Samen des Bösen

Manche Stationen boykottierten das grimmige Instrumentalstück, weil sie fürchteten, es könnte Aufstände und Straßenschlachten anzetteln. Bob Dylan soll Rumble einmal als bestes Instrumental aller Zeiten bezeichnet haben. Es gehört zum Kanon der Popgeschichte und taucht in Filmen wie Pulp Fiction und Serien wie den Sopranos auf. Sein Schöpfer gilt seinetwegen als Erfinder des Powerchords im Rock 'n' Roll, gewissermaßen säte er damit den Samen des Bösen, der bis heute immer wieder keimt.

Auf Link Wray gab sich der im Koreakrieg an Tuberkulose erkrankte Musiker mit nur noch einem Lungenflügel im Leib vergleichsweise zurückhaltend. Link Wray, damals auf dem Label Polydor erschienen, bietet eine fantastische Mischung aus Folk, Blues und Rock, die in der Hermetik der Bretterbude ihren originären Charme entwickelte.

Reduziert auf drei Aufnahmespuren spielten sich Wray und seine Band durch anrührende Balladen wie Fallin' Rain oder windschiefe Country-Schunkler wie Ice People. Wenn das Drum-Kit kaputtging, hieb man auf Bretter, Kübel und leere Flaschen.

Manchmal klingt diese Musik nach den frühen Rolling Stones an einem lichten Tag. Doch die Qualität dieses Werks definiert sich nicht über Vergleiche. Es reicht ein Hinweis auf eines der vielen Highlights des Albums, zum Beispiel auf Fire and Brimstone, das bekannteste Lied dieser Sammlung.

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Fire and Brimstone beschreibt einen apokalyptischen Traum: Zeichen am Himmel, das Fegefeuer bahnt sich seinen Weg. Heavy Shit, wie man sagt. Gecovert wurde der Song etwa von den Neville Brothers, und zuletzt bat Nick Cave Mark Lanegan, das Lied für den Soundtrack des Bootleggerdramas Lawless aufzunehmen.

Die Fotos am Album zeigen Wray und seine Band in Hippieklamotten und langen Haaren. Doch bald brach der ewige Schlurf wieder durch, Wray wechselte ins schwarze Leder, trug eine fette Brille und eine fette Tolle und sah aus wie der sich auf Punk vorbereitende kleine Bruder von Elvis Presley. Lieder wie God Out West deuten diese Veränderung bereits an. Verzerrte Gitarre und ein Rhythmus, der drüben, bei den Stooges, auch gepasst hätte. Iggy Pop ist natürlich ein Fan.

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Vier weitere Alben nahm Wray im Hühnerstall auf, darunter eines mit Mordicai Jones, das war das Pseudonym seines Freundes Bobby Howard. Die Alben sind allesamt Gold, mal lauter, mal leiser, Link Wray, das den Beginn dieser Ära markiert, bleibt das beste. Elf Songs, keiner davon ist schlecht. Crowbar ist ein buckliger Blues, so getrieben wie ausgeschlafen.

Hungriger Wolf

Black River Swamp ist ein elegisches Stück, das von der intimen und direkten Produktion lebt sowie vom Gesang Wrays, der wie ein hungriger Wolf durch den Wald streift. Am Ende atmet er durch und gönnt sich mit Willie Dixons Tail Dragger die einzige Fremdkomposition des Albums. Der Blues passt wie ein Handschuh zum dreckigen Rest: Die elektrische Gitarre jault unterschwellig, Wray röchelt und speichelt sich durch den Text. Am Ende des Albums will man sofort zurück zu seinem Anfang und dem lapidar La De Da genannten Opener, der die Tür zu diesem Meisterwerk öffnet.

An die 30 Alben hat Wray zeit seines Lebens veröffentlicht. In den 1980ern zog er der Liebe wegen nach Dänemark, wo er 2005 im Alter von 76 Jahren starb. Rumble und dutzende andere scharfe Instrumentals hatten ihn da längst unsterblich gemacht, vieles vom guten Rest seines umfangreichen Schaffens gibt es noch zu entdecken, einen besseren Einstieg als dieses Album nicht. (Karl Fluch, 28.7.2017)