Ein Gebäude im Bezirk Akhribish in der ostlibyschen Stadt Bengasi Mitte Juli. Die Befreiung Bengasis durch General Haftar wurde um den Preis schwerer Zerstörungen erkämpft.

Foto: AFP Abdzllah Doma.

Tripolis/Wien – Man nahm es quasi als Kuriosum zur Kenntnis, als Ende August 2011 in Bab al-Aziziya – dem Militärbezirk in Tripolis, in dem Muammar al-Gaddafi bis zu seiner Flucht residiert hatte – eine katarische Fahne gehisst wurde: Tatsächlich hatte das kleine Emirat nicht nur libysche Rebellen trainiert, sondern auch eigene Truppen geschickt, um das Gaddafi-Regime zu stürzen.

2011 nützte Katar geschickt die Schockstarre, in die die meisten arabischen Staaten nach Ausbruch der Unruhen in der ganzen Region gefallen waren, und schwang sich zum Meinungsführer in der Arabischen Liga auf. Aus dem klassischen Vermittler wurde dabei der Agent des Wandels – und Katar setzte dabei auf islamistische Kräfte. Auch in Libyen.

Heute versucht ein wieder aufgewachtes Saudi-Arabien Katar in die Knie zu zwingen. Dieses Ringen findet in mehreren arabischen Ländern, und eben auch in Libyen, statt – nicht nur direkt am Golf, wo der "saudische Block" eine politische und wirtschaftliche Isolation über Katar verhängt hat. Zu diesem "Block" gehören außer Saudi-Arabien die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Bahrain und Ägypten.

Kompromisskonstruktion

In Libyen haben die VAE und Ägypten die Hauptaufgabe übernommen: Sie haben den starken Mann Ostlibyens, General Khalifa Haftar, militärisch in die Lage versetzt, die östliche Hauptstadt Bengasi von Milizen zu befreien und seinen Einfluss auch in den Westen auszudehnen. Dort sitzen aber nicht nur die katarisch – und wie es heißt, auch türkisch – gestützten Milizen und ihre politischen Vertreter. In Tripolis regiert eigentlich Fayez al-Serraj, der Chef einer von der Uno im Dezember 2015 ausgehandelten Kompromisskonstruktion: Sie besteht aus einem Präsidentschaftsrat plus einer Regierung und soll das politische Abkommen von Skhirat umsetzen. Das Ziel ist das Ende der Gewalt durch die Einbindung möglichst vieler Gruppen.

Dazu gehört – so die Theorie der Uno – auch die Kompromissbereitschaft Haftars, der sich mit der Rolle, die Skhirat für ihn vorsieht, nicht zufriedengibt und die Gefolgschaft verweigerte. In Abu Dhabi (VAE) wurden Haftar und Serraj im Mai bereits einmal zusammengebracht. Auch dort war bereits klar, wer in der stärkeren Position ist: nicht Serraj mit seiner – nominellen – Unterstützung der gesamten internationalen Gemeinschaft, sondern Haftar, mit dem Gastgeber im Rücken. Man einigte sich informell, dass einige Punkte im Skhirat-Abkommen geändert werden müssen, zum Ärger mancher Parteigänger von Serraj.

Zwischen Abu Dhabi im Mai und Paris am Dienstag dieser Woche, wo Serraj und Haftar wieder zusammentrafen, liegt der volle Ausbruch der Katar-Krise: Das heißt, Katar und seine Klienten sind unter Druck, und Haftar ist politisch noch stärker geworden. Was eigentlich ein Bruch des von der Uno verhängten Waffenembargos ist – militärische Unterstützung für den General -, wird mittlerweile von den VAE und Ägypten ganz offen betrieben.

Die Hoffnung Libyens?

Auch Russland steht hinter Haftar. Und französische und britische Spezialkommandos haben ihm beim Einsatz gegen islamistische Gruppen im Osten beigestanden. Die Stärke Haftars wird als Argument benützt, auch andere Staaten – allen voran die USA – davon zu überzeugen, auf ihn als zukünftigen starken Mann Libyens zu setzen, den Einzigen, der es mit den Islamisten aufnehmen kann.

Und Skhirat, zu dem sich nach außen alle bekennen, schwächelt vor sich hin: Das hat sich auch in La Celle-Saint Cloud bei Paris nicht geändert, wo Präsident Emmanuel Macron Serraj und Haftar erneut zusammenbrachte. Haftar wurde dabei der Segen gegeben, weiter "Islamisten" zu bekämpfen. Und wer entscheidet, wer bekämpft werden muss und wer eine politische Kraft, mit der man eigentlich reden sollte?

Frankreichs Interesse erklärt sich nicht nur durch seine Rolle 2011: Beim damaligen Nato-Einsatz saß Paris im Führersitz. Heute ist es vor allem besorgt wegen der Katar-Krise: Frankreich, das sowohl mit Doha als auch mit Riad kooperiert, fürchtet negative Auswirkungen in der Region, etwa in Tschad und in Niger. Außenminister Jean-Yves Le Drian war Mitte Juli auf Vermittlungsmission am Golf, wie alle anderen ohne Erfolg. Also versuchen es die Franzosen zumindest mit Serraj und Haftar – zum Ärger Italiens, das am meisten an der durch Libyen kommenden Migrationsbewegung leidet und stets konsequent nur mit Serraj gearbeitet hat. Und jetzt will Macron den Italienern zeigen, wie man das mit den Flüchtlingen wirklich macht. Das ist die EU. (Gudrun Harrer, 28.7.2017)