Sucht man nach Wegen, den Widerhall selbstgeschriebener Gedichte zu erfahren, sie publiziert zu sehen oder gar Preise mit ihnen zu gewinnen, bieten Lyrikwettbewerbe eine gute, für jeden zugängliche Möglichkeit.

Durchforstet man das Internet, stößt man unweigerlich auf die bezahlten Anzeigen der Brentano-Gesellschaft. Angezogen von dem klingenden Namen und geblendet von dem seriösen Anschein, den die Website vermittelt, nahm ich an der Ausschreibung für den Frankfurter-Bibliothek-Gedichtewettbewerb teil.

Zu gewinnen gab es ein Fernstudium an der Cornelia-Goethe-Akademie, die Veröffentlichung eines eigenen Gedichtbandes oder eine Lesung im "deutschen Literaturfernsehen" sowie einen Abdruck in der "Frankfurter Bibliothek".

Bald darauf erreichte mich eine Mail: "Wir freuen uns besonders, dass Ihr Beitrag zum Abdruck aufgenommen wurde, und ich darf Ihnen dazu gratulieren! (...) Die Frankfurter Bibliothek gehört zu den am meisten verbreiteten Lyrikveröffentlichungen der letzten Jahrzehnte. Sie wird weltweit in den bedeutendsten Bibliotheken, z. B. in der Schweizer Staatsbibliothek, in der französischen Nationalbibliothek und der National Library of Congress eingestellt. Nochmals Gratulation zu diesem Erfolg."

Durch eine Lupe vergrößert

Die Freude war groß. Ich hatte zwar keinen der ersten Preise gewonnen, doch immerhin: Es war mein erstes Gedicht, das öffentlich erscheinen sollte. Wochen später erhielt ich einen Brief, in dem eine Strophe des Gedichtes durch eine Lupe vergrößert abgedruckt war, was in mir den Eindruck erweckte, dass mein Beitrag besonders gelungen war.

Erst auf den zweiten Blick entlarvte sich die Nachricht als ein automatisch generierter Text, der auf meine Einsendung zurechtgeschnitten war und deren eigentliches Anliegen darin bestand, mir die Frankfurter Bibliothek, in der mein Gedicht unter Hunderten zu finden ist, um 90 Euro anzudrehen. Ich warf das Schreiben weg.

Ich hatte die Sache schon fast vergessen, als Monate später ein zweiter Brief kam, in dem es hieß, meine Zeilen seien für die besten Gedichte dieses Jahres ausgewählt worden, eine ganze Seite stünde mir allein zur Verfügung sowie ein Autorenhonorar von 50 Euro, jedoch nur, wenn ich 30 Exemplare um 400 Euro bestellte. Meine Euphorie hielt sich in Grenzen.

Missbrauch großer Namen

Ich hatte Bekanntschaft mit der Methode der Frankfurter Verlags-AG gemacht, der die Brentano-Gesellschaft, der August-von-Goethe-Verlag und die Weimarer Schiller-Presse unterstehen. Ein Unternehmen, das die großen Namen der Literaturgeschichte für eine Scheinwelt missbraucht und in der Ödnis der Veröffentlichungsmöglichkeiten sein Unwesen treibt, auf der Suche nach Schreibenden, die in ihre Ausbeutung und die Finanzierung der Verlagserzeugnisse einwilligen, wodurch sie die Farce am Laufen halten.

Es werden die Literaturpreisträger, die aus der Cornelia-Goethe-Akademie hervorgetreten sind, mit jenen Auszeichnungen geschmückt, die das Unternehmen selbst vergeben hat, eine Schweizer Staatsbibliothek, in die der Band aufgenommen werden soll, existiert nicht, und das angeführte "deutsche Literaturfernsehen" ist eine selbstfinanzierte Internetplattform, die kaum über Zugriffe verfügt. Es handelt sich um einen sogenannten Druckkostenzuschussverlag, der sich von den Autoren bezahlen lässt, der von denen lebt, die sich Honig ums Maul schmieren lassen, und von Naiven, Gutgläubigen, die den Trug nicht durchschauen.

Vorahnung

Eine Firma, die nur darauf eingerichtet ist, die Wünsche und Hoffnungen Verlagssuchender für sich zu vereinnahmen, um sich daran zu bereichern. Und wofür? Damit man später ein Autor nach Art des Kopfes des Unternehmens ist – ein gewisser Dr. Donatus Prinz von Hohenzollern, der unter einem Pseudonym publiziert und sich auf seiner Website als Förderer noch nicht etablierter Autoren sowie als wichtigen Kulturphilosophen selbst preist.

Dieses Unternehmen, dieser Pseudoverlag, hat noch keinem Werk zur Anerkennung verholfen, von ihm bleibt nur der Ärger, die Enttäuschung und der Betrug. Doch um der Wahrheit die Ehre zu geben: Lese ich das Gedicht heute, beschleicht mich der Verdacht, ich hätte um all diese Zusammenhänge schon vorher gewusst.


Schau

Die Wüste wächst,
wir haben uns verschanzt,
gefangen in dem Netz
aus Lügen und aus Angst.

Schau die Tänzer voller Träume und Leben,
wie sie fallen, wie sie sich ergeben.
Sie alle werden bleich und bürgerlich.

Wir leben von Illusionen und erblinden, statt zu sehen,
dass die Welt die wir bewohnen,
mehr ist als das Echo der Schritte, die durch uns gehen.

Schau die Masken aus Nebel und Lügen,
die sich wichtig nehmen, die uns betrügen.
Sie alle zerfließen aufgebraucht und ängstlich.

Da ist noch Himmel in dir.
Da ist noch Kraft, das Tote zu vertreiben.
Alles ist jetzt und hier.
Du musst dich entscheiden.


(Jakob Goubran, 29.7.2017)