Die Band Ranky Tanky von den Sea Islands musiziert auf Basis der kreolischen Gullah-Kultur. Kraftzentrum des Quintetts ist die Soulstimme Quiana Parler.

Foto: Sascha Osaka

Jazz-Saxophonist Donny McCaslin vereinigte sich für eine atemlose Solistenrunde spontan mit Ranky Tanky.

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Krems – Mit Geschichtsunterricht in Sachen Populärmusik ging am Wochenende das Festival "Glatt und Verkehrt" in Krems ins Finale. Festspiele für Menschen, die sich bei Gelegenheit gerne die Frage stellen, wie das denn alles angefangen habe, mit dem Blues, dem Soul, dem Rock und Pop und überhaupt. Für den langjährigen Festivalmacher Josef "Jo" Aichinger war es die letzte Ausgabe. 2018 übernimmt der Kurator und Moderator Albert Hosp, der schon bisher humorvoll und sachkundig durchs Programm führte.

"Inside My Head" lautete der erratische Titel des Abschlusswochenendes. Doch verkopft, wie man vielleicht denken könnte, war da nichts. Schlüssig kuratiert, wurde mit vier Bands ein weites Feld vermessen. Das passende Werkzeug stellte zuvorderst der amerikanische Folk-Sänger Sam Amidon vor: Mit Banjo, Fiddle, Gitarre und kehligem Gesang aus der Welt der Wald- und Wüstenromantik schöpft der 36-Jährige aus dem Musikrepertoire der verarmten weißen Arbeiter, die als "Hillbillies" die US-Entsprechung zum hiesigen "Hinterwäldler" bilden.

Unverschnitten klingt das nach Bands wie The Low Anthem oder, kommerzieller, Fleet Foxes. Amidons Band bricht die Siedleridylle aber auch mit radikalem Freejazz. Nicht immer schön, aber als Theoriebeitrag interessant. Auch bemerkenswert: die Pausenband Wanjo Banjo (sprich: "waunn scho, benn scho"), die zeigte, dass sich das Goldwäscher-Banjo in globalisierten Zeiten auch gefahrlos an Dialekt aus dem Waldviertel anschmiegen kann.

Viel Platz in der Lunge

Die gut eingestaubten Ohren durchputzen lassen konnte man sich im Anschluss von Donny McCaslin. Der US-Jazz-Saxophonist, der an David Bowies letztem Album "Black Star" beteiligt war und sich seither vom Geist des verstorbenen "Starman" erfüllt zeigt, hat wahrlich viel Platz in der Lunge. Sein voluminöses Spiel, das sich wie eine Klangwolke über die Köpfe stülpt, kontrastiert er durch schüchterne Zwischenansagen, in denen er die Stimme für Umweltschutz oder Frauenrechte erhebt.

Im Grunde immer auch politisch zu sehen ist die Band Ranky Tanky, die den Abend fulminant nach Hause schaukelte. Die Wurzeln des Quintetts liegen auf den Sea Islands, einer Inselkette an der US-Atlantikküste, wo sich die kreolische Gullah-Kultur der als Sklaven in die Neue Welt verschleppten Afrikaner konserviert hat. In den Worksongs und Spirituals dieser Kultur und der Vermischung mit weißer Siedlermusik liegen die Ursprünge der Popgeschichte.

Beim Österreich-Debüt von Ranky Tanky gesellte sich für eine atemraubende Solirunde auch Saxophonist McCaslin dazu, Sängerin Quiana Parler war eine Klasse für sich. Gemeinsam gelang die Lektion, dass kommerzieller Pop ohne jene Musik, die aus Schweiß und Tränen entstand, nicht denkbar ist. Und: dass dem "Glatt und Verkehrt"-Publikum dringen empfohlen sei, mehr Tanzbein zu zeigen. (Stefan Weiss, 30.7.2017)