Schlangen in Dover könnten nach dem Brexit zur Normalität werden.

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Während die britische Regierung in der Frage einer Strategie beim Thema Migration von EU-Bürgern heillos zerstritten ist, sorgt ein verwandtes Thema für zusätzlichen Sprengstoff. Laut einer Untersuchung droht nach dem Brexit ein Grenzchaos, das die britische Wirtschaft ziemlich belasten würde. Denn wie immer die Verhandlungen mit der EU auch ausgehen: Eine uneingeschränkte Teilnahme am Binnenmarkt will Brüssel London nicht zugestehen.

Das würde zwingend Stichproben beim Warenverkehr mit sich bringen. Betroffen wären einerseits See- und Flughäfen und der Zugverkehr, andererseits aber auch der Grenzübertritt auf der Straße zwischen Irland und Nordirland. Zuletzt gab es Medienberichte, wonach Kontrollen zwischen Nordirland und dem großen Rest des Königreichs eingeführt werden müssten, wenn der freie Verkehr auf der Insel Bestand haben soll.

Zusätzliche Kosten

In einer Untersuchung der Beratungsgruppe Oxera, über die der "Guardian" berichtet, wird der wirtschaftliche Schaden der Verzögerungen mit einer Milliarde Pfund beziffert. Das sei allerdings eine äußerst konservative Schätzung, weil Staus auf den Straßen, Kosten für zusätzliches Personal und der Wegfall von Jobs infolge der komplizierteren Modalitäten und der Erschwernisse für Just-in-time-Lieferungen nicht berücksichtigt worden seien.

Finanzminister Hammond lauscht den Worten von Premierministerin May. Ihm wird illoyales Verhalten vorgeworfen.
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Die Studie hält die Vorbereitungen auf die Post-Brexit-Zeit für völlig unzureichend. Zwar plant London die Einführung eines neuen IT-Systems für den Zoll – der Schritt wurde noch vor dem Referendum vor gut einem Jahr gesetzt. Doch dieses sei auf 60 Millionen Zollfälle ausgerichtet, während der EU-Austritt die Zahl der Abfertigungen auf 300 Millionen erhöhe.

Brexit-Fahrplan wackelt

Laut "Guardian" spricht auch der Chef des Hafens von Dover, Tim Waggott, von einem "akuten" Thema. Die künftigen Grenz- und Zollmodalitäten sollten in den Austrittsverhandlungen mit der EU prioritär behandelt werden.

Die künftigen Handelsbeziehungen und die Migration werden zusehends zum Knackpunkt in den ohnehin schwierigen Gesprächen zwischen Brüssel und London. Erst am Donnerstag hat EU-Chefverhandler Michel Barnier laut Agenturberichten die 27 künftigen EU-Mitglieder darüber informiert, dass der Fahrplan für das Kapitel Handel wackle.

Wachsende Gräben in der Regierung

Parallel dazu wachsen die Gräben innerhalb der britischen Regierung. Handelsminister Liam Fox widersprach am Wochenende in einem Interview mit der "Times on Sunday" den Äußerungen von Finanzminister Philip Hammond zu einer Übergangsregelung bei der Personenfreizügigkeit. Hammond hatte gemeint, im Kabinett herrsche breite Zustimmung zu einer Lösung, die EU-Bürgern auch nach dem Brexit bis zu drei Jahre Freizügigkeit in Großbritannien gewähre. Fox sagte, dass es "keine Zustimmung" für eine derartige Regelung gebe. Er pocht auf das Ergebnis des Referendums, für das die Beschränkung der Zuwanderung das Hauptmotiv gewesen sei.

Andere Konservative wie Ex-Minister David Jones werfen Hammond zudem illoyales Verhalten gegenüber Premierministerin Theresa May vor, die derzeit im Urlaub in Italien ist. (red, 31.7.2017)