Bei der Kundgebung zum 1. Mai in Linz: Wiens Vizebürgermeister Johann Gudenus.

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"Ein Wiener Taxler wollte – wie berichtet – eine Anwältin nicht befördern, weil sie eine Frau ist. ... 'Nimmst du anderes Taxi, Frau' – nach dem Sager eines Lenkers erstattete Wiener Stadtrat Anzeige! ... Stadtrat Toni Mahdalik (FPÖ): 'Ich fordere die Taxi-Innung auf, den Lenker ausfindig zu machen und ihm sofort die Lizenz zu entziehen!'" (heute.at 29.6.2017)

Wie mutig vom freiheitlichen Stadtrat – aber wenn das bloß nicht ins Auge geht. Vielleicht hätte der Wiener FPÖ-Stadtrat Toni Mahdalik doch einmal das "Handbuch freiheitlicher Politik" überfliegen sollen. Denn die Freiheitliche Partei steht unmissverständlich und voll und ganz hinter dem Taxler:

"Strikt lehnen wir jegliche Tendenz ab, deren Absicht es ist, die traditionellen Grund- und Freiheitsrechte zu Gunsten einer missinterpretierten Gleichbehandlungspolitik auszuhöhlen. ... Zum Beispiel sieht eine Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes weitere Einschränkungen für Geschäftsleute und Vermieter bei der Auswahl ihrer Kunden vor. Bereits jetzt darf aus ethnischen Gründen keine Differenzierung vorgenommen werden. Außerdem soll niemand wegen seiner Weltanschauung, seines Alters, seines Geschlechtes (sic!), seiner Religion oder seiner sexuellen Orientierung in irgendeiner Form benachteiligt werden, da ansonsten konkrete Schadenersatzansprüche entstehen. Solche Einschränkungen der Privatautonomie auf dem Altar eines weltfremden Gutmenschentums lehnen wir ab." (Handbuch freiheitlicher Politik. Ein Leitfaden für Führungsfunktionäre und Mandatsträger der Freiheitlichen Partei Österreichs. Wien 4. Auflage/2013, S. 28)

Keine "Einschränkung der Privatautonomie" für Taxifahrer und andere Geschäftsleute! Volle Freiheit für Benachteiligungen aus "ethnischen Gründen" oder wegen "Weltanschauung, Alter, Geschlecht, Religion, sexueller Orientierung"! Geschäftsleute und Vermieter sollen sich ihre Kundschaft aussuchen dürfen! Jeder anständige Österreicher muss doch wohl autonom entscheiden, ob er einem Interessenten namens "Kelsen" eine Wohnung vermietet oder nicht! Ist Mahdalik also ein "weltfremder Gutmensch"?

Recht auf Diskriminierung – anderer

Nicht unbedingt, denn die Freiheit zur Diskriminierung ist keinesfalls grenzenlos. Die Betreiberin eines Wiener Cafés hat nach dem ersten Wahlgang im Frühjahr 2016 die Wähler von FPÖ-Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer aufgefordert, an ihrem Lokal vorbeizugehen, und das ausdrücklich als "Bitte" vorgetragen. Ein "Shitstorm" im freiheitlichen Milieu war die Folge, ergänzt von der spöttischen Erinnerung einiger Beobachter an die Zustimmung desselben weltanschaulichen Lagers zum Lokalverweis zweier knutschender Lesben aus einem anderen Kaffeehaus. Lesben dürfen diskriminiert werden, Freiheitliche aber nicht? Sind weltfremde FPÖ-Gutmenschen auf einmal gegen die Diskriminierung freiheitlicher Andersdenkender durch rechtschaffene Geschäftsleute? Wann ist das Recht auf, und wann ist das Verbot von Diskriminierung angesagt? Glücklicherweise sorgt der Leitfaden für FPÖ-Führungskräfte auch bei solchen schwierigen Grenzfällen für eine glasklare Orientierung:

"Jedem Menschen gebührt Achtung und Respekt vor seiner Persönlichkeit. Niemand hat das Recht, durch Zwang oder Gewalt die körperliche Unversehrtheit und geistige Integrität des Menschen zu verletzen und dadurch seine Würde anzutasten. Niemand darf auf Grund seiner Überzeugungen, Anschauungen und Auffassungen verfolgt werden. Es ist Aufgabe freiheitlicher Politik, dem Menschen die Möglichkeit zu geben, sich zu entwickeln und sein Dasein menschenwürdig zu gestalten. Die Achtung und der Respekt vor der Persönlichkeit schließen Diskriminierung auf Grund bestimmter Werthaltungen und politischer Einstellungen aus." (Handbuch S. 30)

Also keine "Diskriminierung auf Grund bestimmter Werthaltungen" – es sei denn, diese "Werthaltungen und politischen Einstellungen" geraten in Konflikt mit "Weltanschauung, Alter, Geschlecht, Religion, sexueller Orientierung" anderer Leute! In dem Fall gebietet nämlich die "Menschenwürde", dass kein Rassist oder Sexist "gegen seinen Willen" vom Staat "beeinflusst" wird. Kein Taxler darf zum "unkritischen Nutzenmenschen" gemacht werden, der gleichermaßen von Männern und Frauen Geld nehmen muss, auch wenn ihm das gegen den Strich geht, weil ihm die "Verschiedenartigkeit" der Menschen ein echtes Anliegen ist:

"Es ist mit der Würde des Menschen unvereinbar, ihn durch Bevormundungen oder andere Eingriffe, insbesondere nach ideologischen und weltanschaulichen Schablonen, gegen seinen Willen zu beeinflussen oder umzuerziehen. Staatliche Umerziehung, Bevormundungen und Gängelungen sind gegen die Menschenwürde gerichtet und verneinen die Verschiedenartigkeit aller Menschen. Nach vorbestimmten Normen und ideologischen Konzepten erfolgende Zwangsbeglückungen oder gar totalitäre Umformungen zu einem unkritischen Nutzmenschen sind mit der Achtung der Menschenwürde unvereinbar." (Handbuch S. 30)

Der entscheidende Unterschied ist bei der FPÖ in den einzig kompetenten Händen: der Unterschied zwischen der wahren Freiheit einerseits, der "Menschenwürde, dem Respekt vor der Persönlichkeit, der geistigen Integrität" mit dazu passenden "Überzeugungen, Anschauungen und Auffassungen" – und einer mit diesen höchsten Gütern "unvereinbaren Bevormundung, Beeinflussung, Gängelung oder Umerziehung" des Menschen nach "ideologischen und weltanschaulichen Schablonen" andererseits. Die Freiheitlichen beaufsichtigen als Gesinnungsbehörde die menschenwürdige Gestaltung des Lebens in Österreich. Wer auch immer was auch immer dagegen vorbringen will, muss also ein Ideologe sein, der Menschen gegen ihren von der FPÖ definierten Willen "beeinflussen", nach "Schablonen" formen und vom rechten Weg abbringen – "umerziehen" – will. Es soll also niemand glauben, sich gegen diese Partei auf seine persönliche "Privatautonomie" berufen zu können.

Mangel an Toleranz

Eine letzte Klarstellung der freiheitlichen Position bringt eine Episode aus dem Frühjahr 2017: Der Wiener Vizebürgermeister Johann Gudenus wird aus einem Lokal verwiesen, wo man Freiheitliche offenbar nicht leiden kann. Der Sache nach ein eindeutiger Fall von wahrgenommener "Privatautonomie" des Lokalbetreibers, der sich seine Kunden schon aussuchen können dürfen soll, nach freiheitlicher Weltsicht. Parteichef Heinz-Christian Strache hat den Mangel an Toleranz beklagt. Man geht insofern nicht fehl, wenn die freiheitliche Sicht des in der "Privatautonomie" inbegriffenen Rechts auf Diskriminierung auf freiheitliche Privilegien hinausläuft: Wer benachteiligt werden darf, das entscheidet die Partei. Stadtrat Mahdalik muss sich keine Sorgen machen. (Herbert Auinger, 8.8.2017)