Felix Albiez widersetzt sich am Parkring dem Austro-Dogma vom ach so nachhaltigen Fisch aus regionaler Zucht.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Gegrillter Langostino gerät ideal glasig, das Aroma prononciert meeresfruchtig, wunderbar.

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Es ist ein schmaler Raum. Die Möbel lassen eher an ein Frühstückszimmer denken als an ein Spitzenrestaurant. Dafür ist die Atmosphäre geradezu intim und, vor allem, die Aussicht aus dem zwölften Stock des Hotels Schick im Gartenbau-Hochhaus großartig. Die Küche bietet dazu Delikatessen, die in Wiener Spitzenrestaurants seit Jahren auf dem Index stehen.

Felix Albiez ist der Koch, dem das zu verdanken ist. Der junge Mann war lang bei Konstantin Filippou und Silvio Nickol, seit ein paar Monaten ist er im spanisch inspirierten Dachrestaurant des Schick-Hotels gelandet. Das nahm der Mann zum Anlass, das hierorts geltende Dogma, wonach in Spitzenküchen tunlichst Fisch aus heimischen Gewässern verarbeitet werden muss, grundsätzlich zu ignorieren.

Dabei scheint auf den ersten Blick alles klar: Österreich ist ein Binnenland, mit eisigen Bergbächen gesegnet – es wäre absurd, hier nicht alles auf die Süßwasserfischkarte zu setzen. Dass all die Forellen, Saiblinge, Welse und sonstigen Alpenlachse (mit der wesentlichen Ausnahme von Karpfen und Schleien) in Wahrheit mit Futter in die Höhe gebracht werden, das hauptsächlich aus im Meer gefangenem Fisch besteht – und die Idee vom regionalen Fisch damit nachhaltig ad absurdum geführt wird –, blenden wir aber gerne aus. Dass der Zuchtfisch aus dem Futterteich den Konsumenten oft um nichts billiger kommt als wild gefangener aus dem Meer, ebenso.

Köstlichkeiten aus dem Meer

Umso erfreulicher, dass Gutesser hier mit jenen Köstlichkeiten aus dem Meer rechnen dürfen, die in Geschmack und Konsistenz ganz eigene, unvergleichliche Dimensionen erschließen. Noch dazu, wo das große Menü bei Albiez nicht an der 200er-Schallmauer anstreift wie bei Nickol (der auch auf Meeresfisch setzt), sondern eben "nur" 85 Euro kostet.

Dafür wird entsprechend aufgefahren. Marinierte Gelbflossenmakrele ist von saftiger Bissfestigkeit, knackige Gurke und, vor allem, ein berückend konzentriertes Miso-Eis spielen ihr gekonnt zu – ein mehr als gelungener erster Gang, der Klarheit schafft: Auf Sicherheit will Albiez nicht spielen, die Aromen dürfen sehr präsent sein, die Kombinationen gewagt.

Gegrillter Langostino (siehe Bild) gerät ideal glasig, das Aroma prononciert meeresfruchtig, wunderbar. Gegrillte Wassermelone, Korianderschnee und ein paar andere Gimmicks fügen sich auch hier zur spannenden Kombination, bei der Rauch, Frucht und exotische Würze sich stimmig aneinanderschmiegen. Einzig die Kleckse vom Avruga, einem künstlich aus Hering produzierten falschen Kaviar, nehmen der Stimmigkeit der Komposition mehr, als sie an Farbkontrast einbringen.

Süßer Schmelz

Dann aber der wilde Steinbutt, fest und doch seidig im Biss, mit leichtem, dichtem Jus aus Muscheln und Bonitoflocken, mittels Ponzu zitrusfrisch aufgezwirbelt. Die handgetauchte Jakobsmuschel macht zu Recht den Hauptgang – nicht von der Menge, die macht der süße Schmelz dieses luxuriösen Tiers aber mehr als wett. Dazu gibt es eine wonnige Sauce aus dem Corail, ein wenig Aal, der wohl rauchige Nuancen einbringen soll, in der Kombination aber eher störend wirkt – und eine köstliche Sauce aus spanischem Cava.

Die Fleischgänge – eine wuchtige Entenleberterrine mit Mispeln und sous-vide gegarter Tafelspitz vom Wagyu – wirken zwar gefällig, gegen die Pracht der Meeresbewohner aber fallen sie ab. Umso empfehlenswerter: die extrem reichhaltig garnierte Paella mit bissfestem Reis, köstlichem Saftl und einer Fülle feiner Muscheln, Fischfilets, Carabineros und anderer Schweinereien aus dem Meer. (Severin Corti, 4.8.2017)

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