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"Kinder gehören nicht vor das Standesamt und auch nicht an den Traualtar", sagte der deutsche Justizminister Heiko Maas. Österreichs Familienministerin Sophie Karmasin möchte wie in Deutschland die Ehe ausnahmslos erst ab 18 erlauben.

Foto: dpa-Zentralbild / Andreas Lander

Wien – Vier 16-jährige Mädchen (und kein gleichaltriger Bursche) haben 2016 "den Bund der Ehe geschlossen", wie es so schön heißt. Ein Jahr älter, also 17, waren in dem Jahr 25 Bräute und fünf Bräutigame, zeigen die Zahlen der Statistik Austria. 2015 findet sich ebenfalls kein 16-Jähriger in der Liste der insgesamt 44.502 "eheschließenden Männer und Frauen nach Alter bei Eheschließung", wohl aber zehn weibliche Ehepartnerinnen beziehungsweise 33 Mädchen und drei Burschen, die mit 17 Jahren geheiratet haben.

Vor zehn Jahren, 2007, gab es 22 16-jährige und 63 17-jährige Jungbräute. Die Daten enthalten erst ab 2015 auch im Ausland geschlossene Ehen von Personen mit Hauptwohnsitz in Österreich, das betraf in diesen beiden Jahren vier Burschen und 30 Mädchen (siehe Grafik).

Kampf gegen "Kinderehen"

Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) möchte die Einträge bei den Minderjährigen auf null bringen. Sie fordert, dass künftig die Eheschließung ausnahmslos erst ab 18 Jahren erlaubt wird: "Alles, was drunter ist, wird annulliert", sagte sie auf Ö1. Und begründet ihren Vorstoß so: "Kinderehen und Zwangsehen, ob in Kindes- oder Erwachsenenalter, gilt es klar zu unterbinden." Nachdem Zwangsehen 2016 zum Straftatbestand erklärt wurden, sei die "nächste Hauptaufgabe die Unterbindung von Kinderehen". Beide Formen entstünden "in Parallelgesellschaften und entsprechen keinesfalls unserem Wertebild und -fundament".

In der offiziellen Eheschließungsstatistik sind allerdings nur jene Heiraten dokumentiert, die durch ein österreichisches Standesamt beurkundet werden.

In Deutschland war die steigende Zahl verheirateter minderjähriger Flüchtlinge ein Grund dafür, dass unlängst ein Heiratsverbot für Jugendliche beschlossen und die Ehemündigkeit auf 18 Jahre hinaufgesetzt wurde. Ehen unter 16 (auch im Ausland geschlossene) gelten künftig automatisch als nichtig. Ist einer der Ehepartner 16 oder 17, soll die Ehe in der Regel aufgehoben werden. 2016 gab es in Deutschland 1475 im Ausland geschlossene Ehen mit minderjährigen Partnern, darunter 361 mit unter 14-Jährigen.

Konkrete Zahlen fehlen

"Ganz klar zu zeigen, dass das in Österreich nicht möglich ist und Zwangs- bzw. Kinderehen verboten sind", betont Neos-Vizeklubchef und Justizsprecher Nikolaus Scherak. Er kritisiert aber, dass Karmasin ohne konkrete Zahlen über die Dimension des Problems eine "eher gekünstelte Debatte" angezettelt habe. Aufgrund der gesetzlichen Regelungen – man darf in Österreich grundsätzlich ab 18 heiraten, allerdings ist eine Vermählung mit 16 möglich, wenn der Ehepartner über 18 ist, die Eltern einverstanden sind und eine Ehemündigkeitserklärung vom Gericht vorliegt – sieht Scherak daher "jetzt keinen Handlungsbedarf".

Auch Grünen-Familiensprecherin Judith Schwentner wirft Karmasin, mit der sie einig ist, dass "Kinderehen verhindert werden müssen", vor, "dass sie bis jetzt keine Initiative für eine Studie unterstützt hat, um herauszufinden, von wie vielen Betroffenen wir überhaupt reden". Schwentner ist gegen "eine pauschale Eheannullierung" und plädiert für eine "vorsichtige Vorgangsweise". Man müsse sich ansehen, welche "Nebenwirkungen" so eine Scheidung fremdenrechtlich für die Frauen bedeuten würde, ob sie etwa in ihr Herkunftsland zurückgeschickt würden.

Warnung vor negativen Auswirkungen

Auf potenzielle Nachteile, die eine staatliche "Scheidung" via Annullierung für die betroffenen Ehepartner, überwiegend sind es junge Mädchen, bringen könnten, weist auch SPÖ-Familiensprecherin Angela Lueger hin: "Kinder- und Zwangsehen sind entschieden abzulehnen, aber der Schutz der Kinder muss immer im Vordergrund stehen. Daher muss sichergestellt sein, dass den Opfern keine negativen Auswirkungen entstehen und sie keine Rechte verlieren, etwa Unterhalts- oder Aufenthaltsansprüche." Ministerin Karmasin hätte "schon lange Zeit gehabt, gemeinsam mit dem Justizminister einen entsprechenden Vorschlag auszuarbeiten und mit uns zu diskutieren".

Eine dem Wahlkampf geschuldete plötzliche Fokussierung auf das Thema "Kinderehe" vermutet FPÖ-Frauensprecherin Carmen Schimanek. Sie will, dass "noch im Herbst" Maßnahmen beschlossen werden. (Lisa Nimmervoll, 3.8.2017)