Kernzeit mit Gleitzeit: Das ist das höchste der Gefühle in den meisten Unternehmen. Remote arbeiten dürfen nur wenige, die meisten müssen die ganze Zeit über anwesend sein

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Die magischen A: Anything, Anywhere, Anyhow, Anyway. Sie werden immer als die Zauberingredienzen der neuen Arbeitswelt genannt, in der Menschen selbstbestimmt arbeiten und deshalb gerne leisten. Oder aber als Ankerbegriffe eines neuen Prekariats, in dem auf Abruf, ohne oder höchstens mit befristeten Verträgen quasi wie bei "Gigs" gearbeitet wird.

Letzteres scheint derzeit eher angekommen als Ersteres: Die Gleichung von Leistung=Anwesenheit gilt in etablierten heimischen Firmen noch überwiegend, erhebt eine aktuelle Umfrage von Deloitte gemeinsam mit Uni Wien und FH Oberösterreich bei über 400 Personalchefs und Führungskräften in Österreich. Der Befund ist eher traurig: Das Misstrauen in heimischen Unternehmen sitzt tief. Wer mobil und/oder remote arbeiten will, steht vielfach unter Verdacht, sich in Hausschlapfen und Morgenmantel einen Lenz machen zu wollen.

Es dominiert die Sichtweise, dass flexible Arbeitszeitmodelle nur ein Geschenk an Mitarbeiter seien. Dass diese Art von Selbstbestimmung zentraler Faktor für die Attraktivität als Arbeitgeber ist, wird offenbar eher in Prospekte geschrieben als tatsächlich gelebt.

Leicht führen, Köpfe zählen

Wie es sein sollte, ist in dieser Studie auch festgehalten: "Der vergleichsweise einfach zu managende Vollzeitmitarbeiter auf Lebenszeit gehört der Vergangenheit an. In Zeiten von Fachkräftemangel und der schwierigen Suche nach den besten Talenten stehen Unternehmen vor der großen Herausforderung, immer individuellere Angebote zu schaffen, die sich auch an den jeweiligen Lebensphasen der Mitarbeiter orientieren. Das betrifft vor allem Lage und Ausmaß der Arbeitszeit sowie Möglichkeiten des mobilen Arbeitens."

Konkret: Mobiles Arbeiten ist noch immer ein Einzelfallphänomen: Die physische Anwesenheit im Büro wird von 77 Prozent der Befragten als wichtig erachtet. Fast jedes zweite Unternehmen bietet Homeoffice nur für wenige Personen an. Lediglich von 20 Prozent wird diese Möglichkeit auch dem Großteil der Mitarbeiter offen gestellt. Doch selbst hier wird in der Hälfte der Fälle nur vereinzelt davon Gebrauch gemacht. "Haben Mitarbeiter das Gefühl, ihre Abwesenheit hat einen negativen Einfluss auf die Einschätzung ihrer Performance und damit auf ihre Entwicklungs- und Karrieremöglichkeiten, hemmt dies die Nutzung von Homeoffice", lautet der klare Befund.

Vertrauen und klare Regeln

Was hilft? Klare Spielregeln: "In der Unternehmenspraxis wird oft nur eine maximale Anzahl von Homeoffice-Tagen definiert. Man regelt Einzelfälle oder lässt den Führungskräften freie Hand. Vor allem Letzteres kann jedoch zu einem sehr individuellen Umgang, gefühlter Unfairness und Spannungen unter den Mitarbeitern führen. Eine einheitliche Handhabung und das Abklären von Erwartungen an die Erreichbarkeit, den Umgang mit Meetings oder die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme sind sehr wichtig."

Ohne Vertrauen als Basis wird aber nicht sehr viel klappen. Und gerade das scheint Mangelware zu sein: "Für eine Vertrauenskultur braucht es ein Topmanagement, das den Führungskräften vertraut und von Kontrollmöglichkeiten ablässt. Und es braucht Führungskräfte, die sich für das People-Management Zeit nehmen und dieses nicht an Systeme delegieren. Veränderungen, die mit dem Aufbau einer Vertrauenskultur einhergehen, stellen einen Lernprozess für die gesamte Organisation dar. Der Erfolg steht und fällt aber mit den Führungskräften."

Motto: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Da Vertrauen eine "Vorschussleistung" sei, sagt Christian Korunka, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Uni Wien, sei es für viele Führungskräfte so schwer, eine vertrauensorientierte Arbeitskultur zu etablieren. Das lässt auch die Anwesenheitsorientierung zur Ergebnisorientierung in den Firmen überwiegen. Eigentlich der zentrale Ansatzpunkt für Führungskräfte- und Organisationsentwicklung.

Daraus, das sagt die Studie nicht, aber die Erfahrung, ergeben sich eine Reihe struktureller Diskriminierungsfaktoren, etwa für Frauen, die sich für Familie und Kinder entschieden haben. Zunehmend auch für Männer, die der präsenzorientierten Leitkultur nicht mehr folgen wollen. Das wiederum steht der als dringend nötig beschriebenen Diversity im Weg. Immerhin 40 Prozent der Befragten haben kein Problem damit, "Vertrauen ist gut, Kontrolle besser" frank und frei als Motto von sich zu geben. Die Rechnung dafür wird in Zeiten des Ringens um engagierte, gute Leute ganz bestimmt eintreffen. (kbau, 5.7.2017)