Brot spielt in der italienischen Küche eine tragende Rolle. In der kleinen Bäckerei von Davide Guerrini wird es als Focaccia – mit dünn aufgeschnittener, noch warmer Porchetta belegt.

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Pizza essen in Rom? Das ist kein Sakrileg, wie man auf der Gourmet-Tour durch Testaccio erfährt. Vorausgesetzt, der Foodie hält sich an die Pizza bianca, die römische weiße Pizza.

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Das Delikatessengeschäft Volpetti ist berühmt für seinen Schinken, Speck und die große Käseauswahl.

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Auf dem Nuovo Mercato di Testaccio findet man saisonales Obst und Gemüse, darunter die unterschiedlichsten Sorten großer fleischiger Tomaten.

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Früher befand sich in Testaccio der riesige Schlachthof Roms, der Mattatoio. Hier sollen viele der typisch römischen Speisen entstanden sein.

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Auch wenn Torten und anderen Süßigkeiten sich unterwegs verführerisch in Kühlvitrinen drehen, ihren süßen Abschluss findet die fast vierstündige Wanderung in der stadtbekannten Gelateria Giolitti.

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Im römischen Viertel Testaccio, nicht weit von Trastevere und Kolosseum entfernt, ist es noch ruhig am frühen Vormittag. Pensionisten sitzen auf den Bänken in der Sonne und plaudern, ein paar Hausfrauen sind mit ihren Trolleys unterwegs zum Einkaufen. Und da wären auch noch ein paar Touristen, die vor einer Bar herumstehen. Die Besucher halten nach ihrem Guide Ausschau, der sie auf einen Spaziergang zu sieben kulinarischen Stationen mitnehmen wird. Gilt doch das Testaccio als Heimat der typisch römischen Küche.

Bevor es losgeht, klopft Guide Domenico, ein Amerikaner mit italienischen Wurzeln, die Gruppe erst einmal auf ihren Gourmet-Status ab. Fragen wie "Was ist dein liebstes italienisches Gericht?" oder "Was hast du schon in Rom gegessen?" werden von den Teilnehmern fast ausnahmslos mit Pasta und Pizza beantwortet.

In der Pizzabäckerei

Pizza wird auch am Beginn des kulinarischen Rundgangs gereicht. Es ist die für Rom typische Pizza bianca, die weiße Pizza, die in der Bäckerei I Guerrini probiert wird. Sie kommt ohne Tomatensauce und Mozzarella aus, der sehr dünne Germteigboden wird mit fein gehobelten Kartoffeln, etwas Salz und Rosmarin belegt und knusprig gebacken.

Brot spielt in der italienischen Küche eine tragende Rolle. In der kleinen Bäckerei von Davide Guerrini wird es als Focaccia – mit dünn aufgeschnittener, noch warmer Porchetta belegt. Porchetta ist ein gerollter Schweinebraten, gefüllt mit Lardo und Rosmarin. Der fette weiße Speck, Lardo, reift gesalzen und gewürzt in Trögen aus Marmor. Ständig kommen Kunden aus der Nachbarschaft, um ein wenig zu plaudern oder Panini für die Mittagspause zu kaufen.

Schweinehaxen und Käseschätze

Nur ein paar Häuser weiter befindet sich das Delikatessengeschäft Volpetti. Von der Decke hängen getrocknete Schweinehaxen und Würste. Olivenöle aus fast allen Regionen Italiens stehen dicht gereiht im Regal. In einer Kühlvitrine drehen sich Torten und anderen Süßigkeiten im Kreis. Verkäufer Roberto ist der Spezialist an der prall gefüllten Käsetheke. Er reicht kleine Teller mit Käsestücken – Scamorza, Pecorino, Mozzarella, Ricotta und natürlich Parmesan in verschiedenen Reifegraden. Manche Teilnehmer geraten in einen regelrechten Kaufrausch, die Taschen sind so schwer, dass sie unmöglich die ganze Runde mitgeschleppt werden können. Roberto notiert deshalb die Namen der Kunden und zeigt auf den Hintereingang. Hier kann man die Käseschätze während der obligatorischen Mittagspause abholen.

Nur wenige Gehminuten entfernt liegt die nächste Station des kulinarischen Spaziergangs: der Nuovo Mercato di Testaccio. Einige Standler warten hier schon auf Domenico und seine Gruppe. Bei Lina und Enzo gibt es Bruschetta, getoastetes Brot mit frischen Tomaten, Massimo serviert Supplì, frittierte Reisbällchen, dazu Craft-Bier. Die Gemüsestände bieten saisonales Obst und Gemüse, große fleischige Tomaten, Artischocken, frische grüne Bohnen und Pfirsiche. Der Umgangston zwischen Kunden und Verkäufern ist vertraut, es wird gescherzt und probiert, gestikuliert und gustiert.

Das fünfte Viertel

Früher befand sich in Testaccio der riesige Schlachthof Roms, der Mattatoio. Hier sollen viele der typisch römischen Speisen entstanden sein. Die meisten Bewohner des Viertels haben in diesem Schlachthof gearbeitet, wobei ein Teil ihres Lohns aus dem "Quinto Quarto" bestand, dem fünften Viertel. So nennt man schwer verkäufliche Fleischteile wie Rinderwangen, Ochsenschwanz und Innereien. Die Arbeiter verkochten diese Teile zu Hause oder verkauften sie an die Osterien rund um den Schlachthof. Daraus wurden jene Köstlichkeiten gezaubert, die heute für die Küche Roms stehen. Zu den bekanntesten gehören Trippa alla romana oder Bucatini alla matriciana. Heute ist der Mattatoio ein Kulturzentrum und eine Zweigstelle des Museo d’Arte Contemporanea di Roma.

Antiker Scherbenhaufen

Unmittelbar neben dem ehemaligen Schlachthof befindet sich der Monte Testaccio, ein Hügel, der vollständig aus angehäuften Scherben von antiken, zerbrochenen Amphoren besteht. Der Hügel ist ein Park, mit Gras und Bäumen bewachsen, in seine Flanken sind Höhlen gegraben. Ursprünglich wurden diese aufgrund ihres konstant kühlen Klimas als Weinkeller genutzt, heute befinden sich darin Restaurants.

In einem davon wird der inzwischen pappsatten Gruppe die typisch römische Pasta Bucatini alla matriciana in großen Schüsseln kredenzt. Die Sauce für diese Art dicke Spaghetti wird aus Tomaten, Peperoncini und Guanciale – Speck aus Schweinsbackerln – zubereitet. Darüber kommt Pecorino, der würzige Schafmilchkäse. An einer großen Tafel, mit einem verglasten Ausblick auf das Innere des Scherbenhaufens, sitzt die Gruppe und wickelt die Pasta auf die Gabeln.

Strenger Eisverkäufer

Ihren süßen Abschluss findet die fast vierstündige Wanderung in der Gelateria Giolitti. Seit 1914 gibt es den Eissalon, und es scheint, als hätte sich in den mrht als 100 Jahren wenig verändert. Die Eismaschinen sind älter als die Teilnehmer der Food-Tour, Inhaber Armando arbeitet bereits sein ganzes Leben im Eissalon seiner Familie. Mit 14 Jahren wollte er nicht mehr in die Schule gehen und stieg ins Eisgeschäft ein. Er ist ein echter Eis-Profi und reagiert streng auf die Wünsche seiner Gäste: "Malaga, Zitrone?"– bei dieser Kombination verzieht der Chef entsetzt das Gesicht. Passt nicht zusammen. Schnell disponiert die Dame um: "Himbeere, Zitrone" – das darf in Testaccio ins Stanitzel. (Helga Gartner, 6.8.2017)