Aufnahme eines Flüchtlingslagers in Rann im Nordosten Nigerias, nahe der Grenze zu Kamerun. Hierher haben sich viele Menschen vor der Islamistengruppe Boko Haram geflüchtet.

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Jedes Mal, wenn Amina Mohammed eins der kleinen Teigbällchen in die große, schwere Pfanne wirft, zischt und spritzt das heiße Fett. Die 40-Jährige kneift die Augen zusammen. Wenn sich der Wind dreht, beißt der Rauch des offenen Feuers in ihren Augen. Manchmal wischt sie sich den Schweiß von der Stirn. Trotzdem lachen sie und ihre beiden Kolleginnen Maimuna Mustafa und Mariam Samaila immer wieder. Das Frittieren und Verkaufen der kleinen Bohnenküchlein bringt den Frauen zumindest ein wenig Ablenkung und füllt die knappe Haushaltskasse auf.

In Uba, einer Kleinstadt im Süden des nigerianischen Bundesstaates Borno, ist das nicht selbstverständlich. Die ganze Region gilt seit jeher als ärmlich und schneidet im nigerianischen Vergleich stets besonders schlecht ab, wenn es um Ausbildung, Zugang zum Gesundheitssystem und Lebenserwartung geht. Ausgerechnet hier sind nun die Spuren der Terrorgruppe Boko Haram besonders deutlich zu sehen.

Keine zwei Euro pro Tag

Nach Uba kam die Miliz im September 2014 und wurde erst Monate später von der Armee verjagt. Auch wenn das mehr als zweieinhalb Jahre her ist, sind die Folgen noch täglich zu spüren.

Amina Mohammed hat den großen, orangefarbenen Eimer geöffnet und formt neue Teigbällchen. Pro Tag verdient sie damit bis zu 700 Naira, keine zwei Euro. Den Rest müssen sie und ihr Mann auf der kleinen Farm erwirtschaften, was ebenfalls ein schwieriges Unterfangen ist.

Überall fehlt es an Saatgut, Dünger und Werkzeugen. "Zum Glück ist das heute sicher genug", sagt Amina Mohammed. Weiter im Norden, etwa rund um die Stadt Gwoza und in der Nähe des Tschadsees, bleibt die Lage indes viel zu angespannt für Agrarwirtschaft, und riesige landwirtschaftliche Flächen liegen seit Jahren brach. Dabei gilt Boko Haram offiziell längst als besiegt.

Spur der Verwüstung

Wie schwierig die wirtschaft liche Lage ist, erlebt auch Ishaya Vandi, der für die nichtstaatliche Initiative zur Stärkung von Frauen und Jugendlichen (WYEAHI) arbeitet. Sie ist ein lokaler Partner von Plan International.

"Als die Terroristen kamen, sind zahlreiche Menschen geflüchtet. Dabei haben sie alles verloren", sagt Vandi. Amina Mohammed ging es nicht anders. Damals nahm sie ihre zehn Kinder, packte nur so viel Gepäck zusammen, wie sie auf dem Kopf tragen konnte, und rannte einfach los, erzählt sie vage.

Viele Erinnerungen möchte sie lieber verdrängen. Drei Monate blieb sie in Yola, der Hauptstadt des Bundesstaates Adamawa, der im Süden an Borno grenzt. Unterdessen gingen die Terroristen auf Beutezug. Was sie nicht brauchen konnten, brannten sie nieder.

Beim Wiederaufbau zu helfen, hält Ishaya Vandi deshalb für wichtig. Seine Organisation stattet Frauen mit Kochequipment oder Getreidemühlen aus, was beim Überleben hilft. Die Schaffung von Arbeitsplätzen habe jedoch noch einen anderen Aspekt: "Junge Leute haben sich den Terroristen auch angeschlossen, weil sie schlichtweg keinen Job hatten. Wenn ihnen jemand 100.000 Naira (265 Euro, Anm.) anbietet, dann sind sie zu vielen Dingen bereit."

"Besser als früher"

Mehrere Untersuchungen kommen zu ähnlichen Ergebnissen: Junge Männer haben sich den Islamisten nicht zwangsläufig aus religiöser Überzeugung angeschlossen. Stattdessen wurden sie mit Geld gelockt, aber auch psychisch und mit körperlicher Gewalt unter Druck gesetzt.

Darüber, dass die Terroristen nun weg sind, ist Vandi froh. Optimal wäre aber eine andere Entwicklung: Er hofft, dass sich auch im Nordosten irgendwann Firmen ansiedeln und eine große Zahl von Menschen einstellen. Afrikas einwohnerstärkstes Land kämpft schließlich auch mit einer ständig wachsenden Bevölkerung. Aktuelle Schätzungen gehen von 185 Millionen Einwohnern aus.

Dass sein Wunsch in Erfüllung geht, hält Vandi aber derzeit für wenig realistisch. "Unternehmen wollen Sicherheit." Die gebe es im Nordosten bis heute nicht. Die vermisst auch Amina Mohammed. Am späten Nachmittag wirft sie vorsichtig die letzten Teigbällchen in die Pfanne und lässt das Fett noch einmal aufspritzen, bevor sie zu ihren Kindern nach Hause geht.

"Es ist besser als vorher. Wirklich sicher fühle ich mich aber bis heute nicht", lautet ihr ernüchterndes Fazit. (Katrin Gänsler aus Uba, 7.8.2017)