Erhaltenswert oder nicht? Experten über Abriss der Villa Freudeck in Bregenz uneins

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Initiative zur Erhaltung der Villa präsentierte Gutachten und Werkschau des Architekten

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Bregenz – Wer Kulturhauptstadt werden möchte, müsse auch Verantwortung für Baukultur zeigen, sagt der Bregenzer Architekt Wolfgang Purrucker und adressiert diese Aufforderung an die Bregenzer Baubehörde. Wie sehr es in der Vorarlberger Landeshauptstadt, die mit den Nachbarstädten an einer Bewerbung für die Europäische Kulturhauptstadt 2024 arbeitet, an Sinn für das Ortsbild fehle, zeige der Abbruchbescheid für die Villa Freudeck, eine Gründerzeitvilla, die zusammen mit fünf weiteren Villen das Georg-Baumeister-Viertel bildet. Das Viertel sei ein für Vorarlberg einzigartiges Ensemble und deshalb schützenswert wie Purrucker und die "Initiative zur Erhaltung der Villa Freudeck" meinen.

Gutachten gegen Zerstörung

Die Initiative präsentierte am Montag im historischen Park des Palais Thurn und Taxis ein Gutachten, dass diese Meinung stützt. Friedmund Hueber, Experte für Denkmalpflege und Bauforschung und Mitglied des Denkmalbeirats beim Bundesdenkmalamt, sieht im Gegensatz zum Bundesdenkmalamt die Bregenzer Baumeister-Villen als Ensemble. Wie der Standard berichtete, hatte das Bundesdenkmalamt eine Unterschutzstellung abgelehnt. Hueber schreibt in seinem Gutachten von "großer sozial-, lokal-, kunst-, architektur- und siedlungshistorischer Bedeutung. Es hätte vollen Schutz verdient. Ein Abbruch der Villa wäre eine erhebliche Beeinträchtigung des Ortsbildes, widerspricht Hueber Amtsgutachten aus Rat- und Landhaus.

Das Bundesdenkmalamt will weder Villa noch Ensemble unter Schutz stellen. Auf die Argumente Huebers gehe das Bundesdenkmalamt in seiner Stellungnahme nicht ein, bedauert die Initiative. Wie bereits im Herbst 2016, als der Abbruchbescheid ausgestellt wurde, verweist man aus Wien auf die Zuständigkeit der Landes- und Stadtbehörden in Sachen Ortsbildschutz.

Ortsbildschutz mangelhaft

Ortsbildschutz sei in Vorarlberg nur unzureichend geregelt, sagt Felix Dünser, früherer Landesvolksanwalt und Mitglied der Initiative: "Es fehlt ein Gesetz mit klaren Definitionen und Verfahren zum Ortsbildschutz." Zudem seien Bauverfahren, im konkreten Fall kam das Verfahren der Baugrundlagenbestimmung zur Anwendung, intransparent. Dünser fordert in Bauverfahren Transparenz und die Einbeziehung von Architekturhistorikern und Denkmalpflege.

Kein Verständnis für die Kritik der Initiative zeigt die Baufirma Hinteregger, die auf dem Areal der Villa eine mehrgeschossige Wohnanlage mit sieben exklusiven Eigentumswohnungen plus 14 Tiefgaragenplätze errichten will. Hinteregger-Mitarbeiter Harald Gruber: "Wir haben uns ja erkundigt, ob die Villa unter Denkmalschutz steht. Wir haben einen Wettbewerb gemacht, das Projekt mehrfach überarbeitet. Wir haben alles getan, was möglich war." Eine Abänderung des Projekts komme nicht in Frage. Wann die Villa abgerissen und mit dem Neubau begonnen wird, sei aber noch offen. "Eventuell noch heuer."

Appell für gemeinsame Lösung

Die Initiative sieht dennoch Hoffnung. Sie appelliert an Politik und Verwaltung, mit Bauträger und Villenbesitzer eine Lösung zu finden, die das Ensemble ergänzen und Beginn einer "vorausschauenden Weiterentwicklung des Viertels" sein könnte. Architekt Robert Dünser: "So lange die Villa noch steht, sind alle Möglichkeiten für eine Lösung im Interesse der Allgemeinheit offen."

Im Rathaus gehen die Uhren etwas schneller. Vizebürgermeisterin Sandra Schoch (Grüne), zuständig für Stadtplanung, schreibt in einem grüninternen Brief fälschlicherweise, dass die Villa bereits abgerissen sei. Ihre Schlussfolgerung: Baukulturelles Erbe könne nicht allein durch Denkmalschutz gesichert werden. Deshalb werden künftig "sensible Nachbarschaften und erhaltungswürdige Objekte in einem Ortsbildinventar dokumentiert und Teil des räumlichen Entwicklungskonzepts".

Weiterbildung für Entscheidungsträger

Ein wesentliches Manko der Entscheidungsträger, das fehlende Wissen um das Werk des Architekten Georg Baumeister (1852 – 1927), der in München, Konstantinopel und schließlich in Bregenz tätig war, will die Initiative nun beseitigen. Im Herbst soll eine Publikation erscheinen, die Baumeisters Werk beleuchtet.

Schließlich war Baumeister, so Robert Dünser "ein visionärer Geist, der unverwechselbare Beiträge zum heutigen Stadtbild geleistet hat". Eines der visionären Baumeister-Projekte, ein Kur- und Kulturhaus mit Bühne und Platz für 700 Gäste am Seeufer, wurde jedoch nicht verwirklicht. Was Baumeister schon 1893 skizzierte, wurde erst 90 Jahre später Realität – ein Festspielhaus für Bregenz. (Jutta Berger, 7.8.2017)