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Richard Dawkins, der "Papst der Atheisten", mit dem Slogan einer agnostischen Werbekampagne. Das moralische Image der Atheisten hat laut einer neuen Studie viel Luft nach oben.

AP

Lexington/Wien – Es wäre vielleicht einmal eine eigene Studie wert, warum so viele Biologen und Verfechter der Evolutionstheorie zu den sichtbarsten Atheisten zählen: 1904 ließ sich der deutsche Darwinist Ernst Haeckel in Rom vor dem Denkmal Giordano Brunos zum Gegenpapst ausrufen. Heute hat diese Rolle des "Papsts der Atheisten" der britische Evolutionsbiologe Richard Dawkins inne, der mit seinem Buch "Der Gotteswahn" vor gut zehn Jahren einen Bestseller landete.

In Österreich ist die Biochemikerin Renée Schroeder eine der öffentlichsten Atheistinnen – und als Kandidatin auf der Liste Pilz auch eine der ganz wenigen Politikerinnen und Politiker, die offen für die Gottlosigkeit eintreten.

Schlechtes Image der Atheisten

Dass selbst in unseren säkularen Gesellschaften vergleichsweise wenige Menschen in hohen offiziellen Ämtern sich als Atheisten deklarieren oder engagieren, könnte mit einem Imageproblem zu tun haben, das nun seine wissenschaftliche Bestätigung fand: Wie Forscher um Will Gervais (University of Kentucky) herausfanden, nehmen sowohl religiöse als auch a(nti)religiöse Menschen an, dass extreme amoralische Taten wie Serienmorde eher von Atheisten begangen werden.

Für die im Fachblatt "Nature Human Behaviour" veröffentlichte Studie hat das Team um den Psychologen Gervais mehr als 3.000 Personen in 13 Staaten rund um den Globus befragt. Darunter befanden sich sowohl sehr religiöse Länder (wie Indien oder die Vereinigten Arabischen Emirate), aber auch eher atheistische (wie China oder die Niederlande), um Vergleiche zu haben.

Verbrecher werden eher für atheistisch gehalten

Konkret wurden die Studienteilnehmer mit der Beschreibung einer extrem amoralischen Person konfrontiert, die zunächst Tiere quälte und dann sogar Menschen tötete. Eine Hälfte der Befragten musste angeben, ob es wahrscheinlicher ist, dass der Täter A) ein Lehrer oder B) ein Lehrer mit religiösen Ansichten ist. Bei der anderen Hälfte lauteten die Antwortalternativen: A) Lehrer oder B) Lehrer, der nicht an Gott glaubt.

Das Resultat war in den meisten Ländern eindeutig: Der gottlose Lehrer wurde fast doppelt so oft als möglicher Täter angekreuzt als der gläubige Lehrer. Keine Vorurteile gegenüber Atheisten hatten nur die Studienteilnehmer aus Finnland und zu einem geringeren Ausmaß jene aus Neuseeland.

Beziehung zwischen Glauben und Moral

Die Studie zeigte nicht nur, dass Vorurteile gegenüber Atheisten sowohl in religiösen wie areligiösen Gesellschaften weitverbreitet sind. Sie offenbarte zudem, dass auch Atheisten negative Einstellungen über ihresgleichen teilten.

Gervais interpretiert die Ergebnisse als Hinweis darauf, dass die Beziehung zwischen Religion und Moral von der Wissenschaft anders gesehen wird als von der Bevölkerung. Während die Forschung zeigen konnte, dass moralische Urteilsfähigkeit sich weitgehend unabhängig von der Religion entwickelt, sieht die Bevölkerung oft eine starke Verbindung. (Klaus Taschwer, 7.8.2017)