Bratislava – Die rechtspopulistische Slowakische Nationalpartei (SNS) hat am Montag überraschend die seit knapp einem Jahr bestehende Drei-Parteien-Koalition aufgekündigt. Der sozialdemokratische Premier Robert Fico reagierte verärgert und sprach von einem "absurden Schritt". Für Dienstag berief Fico ein Treffen der Parteichefs der Regierungskoalition ein.

Für Koalitionspartner wie für politische Beobachter kam die Regierungskrise unerwartet. Der Parlamentspräsident und Parteichef der SNS, Andrej Danko, informierte die Chefs der sozialdemokratischen Smer sowie der Ungarnpartei Most-Híd am Montag schriftlich über den Rückzug der SNS aus der Koalition. Als Grund nannten die Nationalisten die "Notwendigkeit der Erstellung neuer Regeln" in der Regierungskoalition sowie die "Neugestaltung der internen Verhältnisse, um das Vertrauen zwischen den Koalitionspartnern wieder herzustellen".

"Nur ein Witz"

Im ersten Moment dachten wir, es sei nur ein Witz, sagte ein Smer-Politiker, der nicht namentlich genannt werden wollte, gegenüber der Tageszeitung "Dennik N". Premier Fico kritisierte später, ein derartiges Vorgehen bringe weder Ruhe noch Stabilität in die Gesellschaft.

Most-Híd sprach von einem "überraschenden Schritt" der SNS. Die aktuelle Regierungskoalition habe bisher ihre Ziele erfolgreich erreicht, daher könne man die Forderungen nicht verstehen, hieß es. Die slowakische Opposition wertet die Regierungskrise als Machtkampf in der Regierungskoalition. Der Schritt solle zudem vom laufenden EU-Gelder-Skandal ablenken, kritisierte der Chef der Liberalen, Richard Sulík.

Die SNS war zuletzt mit einem Korruptionsverdacht im von ihr geführten Bildungsministerium konfrontiert. Unter Druck steht vor allem Bildungsminister Peter Plavčan wegen angeblichen Missbrauchs von EU-Geldern. Die Nationalistenpartei wolle nicht für Missstände geradestehen, die 2015 im damals von den Sozialdemokraten geführten Ressort geschehen sind, meinte das Internetportal topky.sk unter Berufung auf Quellen aus der SNS.

Fortsetzung wahrscheinlich

Der Koalitionsvertrag zwischen der sozialdemokratischen Smer, der Ungarnpartei Most-Híd (Brücke) von Béla Bugár und der SNS war erst am 1. September des Vorjahres unterschrieben worden. Die Chefs der drei Koalitionsparteien hatten sich zuletzt am vergangenen Donnerstag getroffen und nach außen hin völlig geeint gewirkt. Bei dem Treffen hatten die Regierungspartner dem wegen eines Korruptionsskandals unter Druck geratenen Bildungsminister gemeinsam den Rücken gestärkt. Die EU-Kommission hatte vergangene Woche angekündigt, Vorwürfe wegen des mutmaßlichen Missbrauchs von EU-Fördergeldern zu überprüfen.

Politische Beobachter im Land gingen zunächst nicht von Neuwahlen aus. Danko versuche offenbar nur die Position seiner SNS innerhalb der Regierungskoalition zu stärken, meinte der Politologe Juraj Marušiak. Als wahrscheinlichste Variante sehen Experten daher trotz des heftigen Eklats eine Fortsetzung der aktuellen Drei-Parteien-Koalition von Premier Fico. Es könne allerdings zu Änderungen im Koalitionsprogramm oder einer Regierungsumbildung kommen, wurde am Montag vermutet.

Der Regierungskoalition bleibe auch nichts anderes übrig, als bis zum Ende der Legislaturperiode gemeinsam durchzuhalten, meinte der renommierte Analytiker Michal Horský.

Aktuell verfügt die Koalition im Parlament nur noch über 79 Mandate im 150-Sitze-Parlament und wäre laut letzten Umfragen derzeit auch nicht in der Lage, bei Wahlen erneut eine Mehrheit zu erlangen. Ficos Partei Smer-SD stellt derzeit 49 Abgeordnete, die SNS verfügt ebenso wie der dritte Koalitionspartner, die Partei der ungarischen Minderheit, über 15 Sitze.

In der Slowakei waren in den vergangenen Monaten tausende Menschen aus Protest gegen die Regierung auf die Straße gegangen. Sie beklagten einen mangelnden Einsatz gegen die Korruption in dem Land und verlangten den Rücktritt mehrerer Regierungsvertreter. Die Organisation Transparency International hatte die Slowakei kürzlich als siebtkorruptestes Land in der EU eingestuft. (APA, 7.8.2017)