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Will Kanzler werden: Martin Schulz.

Foto: REUTERS/Antonio Parrinello

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Will Kanzlerin bleiben: Angela Merkel.

Foto: REUTERS/Kai Pfaffenbach

Ein berühmter Trainer antwortete auf die Frage nach seiner Strategie in einem entscheidenden Champions-League-Spiel: "Wir wollen möglichst viele Tore schießen." Wir lachten herzlich über diesen tiefsinnigen Fußballspruch. Schöne Strategie! Ja, wenn das so einfach wäre. Aber immerhin: Viele Fans finden die "Strategie" gut. Sie drückt Ehrgeiz aus, der kann ja nicht schlecht sein. Insgesamt aber: Wir lachen oder lächeln wenigstens.

Stellen Sie sich nun aber vor, Sie sind ein Spieler der Mannschaft und hören, dass nun viele Tore von Ihnen persönlich erwartet werden. Dann knurren Sie: "Der hat gut reden!"

Die Extrameilen im Berufsleben

In Unternehmen geht es genauso zu. Der Boss hat eine wunderbare, äh, na etwas, was er "Strategie" nennt. Die hat er schon oft erfolgreich in mehreren Firmen bei seinem Aufstieg ins Top-Management angewandt; er hat also schlicht die folgenden austauschbaren Modulsätze verkündet: "Wir wollen nachhaltig schneller wachsen als der Markt, sodass wir zwingend sehr bald die Nummer eins werden müssen. Ich fordere Sie alle auf, begeistert von unserem Unternehmen zu sein, weil das Ihre Leistung steigert. Wir wollen uns viel vornehmen, damit wir mehr schaffen. Gehen Sie noch mehr Extrameilen als bisher. Make everything great!"

Diese vielen Sätze vernebeln die Sache ganz gut und übertölpeln sehr viele. Im Grunde sagte der Boss doch nur: "Schießt viele Tore!" Bei diesen Worthülsen des Bosses lächeln wir aber nicht. Wir denken: "Der hat gut reden!" Wir zweifeln etwas an seiner Kompetenz. Arbeitet er selbst an dem Wachstum? Oder holt er nur etwas aus uns heraus, um bei seinen Weiterbewerbungen Gehaltssprünge zu ergattern? Und die Älteren sehen mit tiefer Trauer im Herzen das Glänzen in den Augen der jungen Mitarbeiter, die all das rund um die Nummer eins für bare Münze nehmen, so wie Trump-Wähler.

Und in der Politik?

In der Politik reden die Parteiführer entsprechend dick aufgetragen: "Wir sind als einzige Partei für Wohlstand und soziale Gerechtigkeit, für Bildung und Digitalisierung, wir wollen natürlich aus diesem Alleinstellungsmerkmal heraus den Kanzler stellen und Deutschland wieder großartig machen. Ja, das wollen wir, weil Donald Trump damit auch seine Wahl gewonnen hat." Und wir? Lachen wir? Lächeln wir? Sagen wir "Der/die hat gut reden"? Das tun wir ganz bestimmt bei den Parteitags-Trashreden der jeweils anderen Parteien, die wir nicht wählen wollen. Bei unserer favorisierten Partei lächeln wir nicht. Reicht uns eine Trashrede "unserer" Partei? Reicht es uns, wenn unsere Partei gewinnt, so wie es uns als Fans reicht, wenn unsere Mannschaft gewinnt? Unsere Partei soll uns doch echt vertreten und das umsetzen, was wir für richtig halten. Tut sie das? Was will die Partei eigentlich tun, außer die üblichen Steuerentlastungslitaneien als Wahlprogramm zu adeln?

Welche Partei sollten wir wählen? Manche identifizieren sich mit dem Parteiführer oder Kandidaten – wie bei Trump. Manche wollen hohe Regierungskompetenz gepaart mit gesundem Menschenverstand sehen, was schon viel ist. Andere möchten, dass sich die Regierung mit dem Herzen um das Volk kümmert. Viele wählen eine Partei, die ein Thema zur Herzensangelegenheit macht (Umwelt, Überfremdung). Und ziemlich viele wählen eine Partei nur zum Protest gegen den so empfundenen allgemeinen Sumpf da oben – sie drücken ihren Verdruss aus, sie sind es satt, nicht vertreten zu werden, von keiner Partei.

Amtsgier und Machtwille

Wir Wähler fragen zunehmend: Sind die Parteiführer solche, mit denen wir uns identifizieren? Können sie so gut regieren, dass es keine Sonderthemenparteien und Protestwähler geben muss? Kümmern sie sich um uns? Nicht so richtig. Oder, schwächer fordernd gefragt: Bemühen sich die Parteiführer, Vorbilder zu sein (wie zum Beispiel Richard von Weizsäcker)? Sind Sie bemüht, immer besser regieren zu können, bereiten sie sich auch in der Opposition darauf vor? Bilden und entwickeln sie sich, streben sie? Bemühen sie sich, gesunden Menschenverstand anzuwenden? Arbeiten sie gut untereinander zusammen? Sind sie mit dem Herzen bei uns?

Ich schaudere bei "viele Tore schießen", "will Kanzler werden", "wollen zweistellig werden", "brauchen 40 plus x", "wollen Protestwähler einfangen" (die man zuvor als "Pack" bezeichnete), "müssen Koalitionspartner finden, notfalls werden wir mit einer Panflötenkoalition regieren". Das hat nur etwas mit den Zielen der Amtsgierigen zu tun. Und wir schlucken das, weil wir Amtsgier mit Machtwillen verwechseln, den wir noch einigermaßen positiv besetzt sehen.

Back to the basics: Wozu ist eine Partei da? Hinterfragen Sie. Teilen Sie Ihre Gedanken Ihrer Partei mit. "They should really care about us." (Gunter Dueck, 9.8.2017)