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Winterliche Temperaturen: Cristina Fernández de Kirchner bei einer Wahlkampfveranstaltung in Buenos Aires

Foto: REUTERS/Marcos Brindicci

Buenos Aires – Für den argentinischen Präsidenten Mauricio Macri könnten am Sonntag ungemütliche Zeiten anbrechen. Seine Vorgängerin und Erzrivalin Cristina Kirchner bewirbt sich bei den Parlaments-Vorwahlen um einen Senatssitz in der Hauptstadtregion Buenos Aires. Der erwartete Wahlsieg könnte ihr den Weg zu einem Comeback als Staatschefin bei der Präsidentenwahl in zwei Jahren ebnen.

Kirchner kann laut einer am Wochenende veröffentlichten Umfrage des Instituts "Dicen" mit 39,8 Prozent der Stimmen rechnen und würde damit sowohl den Regierungskandidaten Esteban Bullrich (26 Prozent) als auch ihren früheren Minister Sergio Massa (17,7 Prozent) überflügeln, der für die linksgerichteten Peronisten kandidiert. Weil bei der Vorwahl Wahlpflicht herrscht, wird das Ergebnis des eigentlichen Urnengangs am 22. Oktober vorweggenommen. Sollte sich Kirchner am Sonntag durchsetzen, wird ihr der Senatssitz kaum noch zu nehmen sein.

Ein Jahrzehnt "Kirchnerismo"

Kirchner war von 2007 bis 2015 argentinische Präsidentin. Zusammen mit ihrem im Jahr 2010 verstorbenen Mann und Vorgänger Nestor hatte sie das politische Leben Argentiniens mehr als ein Jahrzehnt lang dominiert. Nach dem Ende ihrer zweiten Amtszeit konnte sie nicht mehr antreten, ihr Parteifreund Daniel Scioli unterlag bei der Präsidentenwahl knapp dem konservativen Kandidaten Macri. Der Unternehmer, der sich als Bürgermeister von Buenos Aires eine Machtbasis geschaffen hatte, setzte auf eine wirtschaftsliberale Sparpolitik.

Kirchner geriet indes ins Visier der Justiz. Erst im März musste sie wegen verlustreicher Wechselkursspekulationen der argentinischen Notenbank vor Gericht verantworten. Außerdem laufen drei weitere Ermittlungsverfahren, unter anderem wegen Korruptionsvorwürfen. Ende 2016 wurde sie wegen des Vorwurfes, einem nahestehenden Geschäftsmann öffentliche Aufträge zugeschanzt zu haben, angeklagt.

Kritiker werfen Kirchner vor, nur deshalb zu kandidieren, weil sie als Senatorin Immunität vor strafrechtlicher Verfolgung hätte. Die Ex-Präsidentin hatte im Juni ihren Hut in den Ring geworfen, obwohl sie noch im Mai gesagt hatte, dass sie ein Parlamentssitz nicht interessiere.

Neues Bündnis

Weil die Peronisten ihre frühere Chefin nicht als Senatskandidatin aufstellen wollten, gründete die 64-Jährige ein neues Bündnis namens "Unidad Ciudadana" ("Bürgereinheit"). In der Hauptstadtregion Buenos Aires leben zwei Fünftel aller Wahlberechtigten des Landes. Mit einer Mehrheit der Hauptstadtbewohner im Rücken hätte Kirchner beste Chancen, ihren Kontrahenten Macri bei der Präsidentenwahl im Jahr 2019 aus dem Regierungssitz "Casa Rosada" zu vertreiben.

Kirchner baut auf die Unterstützung der ärmeren Schichten der Hauptstadt und hat sich auf die wirtschaftsliberale Politik Macris eingeschossen. "Wir müssen dieser Regierung die Grenze aufzeigen", sagte sie bei der Vorstellung ihrer Kandidatur.

Abtreibungsdebatte

Regierungskandidat Esteban Bullrich verstrickte sich unterdessen in eine Abtreibungsdebatte. In einem Radiointerview stellte er abgetriebene Embryos auf eine Stufe mit jenen Frauen, die von ihren Männern zu Tode geprügelt werden. Mit Blick auf die gegen Femizide kämpfende Organisation "Ni una menos" ("Nicht eine weniger") sagte der Ex-Bildungsminister: "Nicht eine weniger!, auch wenn es ein Baby im Bauch ist, denn dieses wird auch getötet." Bullrich erntete einen Sturm der Entrüstung für seine Aussagen. Die sozialdemokratische Abgeordnete Victoria Donda wies darauf hin, dass illegale Abtreibungen "die wichtigste Ursache für Müttersterblichkeit" in Argentinien seien: "'Nicht eine weniger' bedeutet, dass der Staat das Leben von Frauen schützen muss."

Nicht bei der Parlamentswahl antreten darf indes Ex-Präsident Carlos Menem, der seinen Senatssitz in der Provinz Rioja verteidigen wollte. Die Oberste Wahlbehörde ließ die Kandidatur des 86-Jährigen nicht zu, weil er im Jahr 2013 wegen Waffenschmuggels an Kroatien und Ecuador zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt worden war. Seine parlamentarische Immunität schützte Menem bisher davor, die Strafe antreten zu müssen.

Das argentinische Wahlrecht sieht verpflichtende Vorwahlen vor, an denen alle Bürger zwischen 18 und 70 Jahren teilnehmen müssen. Die Vorwahl dient dazu, das Bewerberfeld zu verringern. Bei dem eigentlichen Urnengang im Oktober dürfen nämlich nur jene Kandidaten antreten, die im Vorentscheid mindestens 1,5 Prozent der Stimmen erreicht haben. Neu bestimmt werden die Senatoren in einem Drittel der Regionen (darunter Buenos Aires), insgesamt 24 von 72 Senatoren, sowie alle 124 Abgeordneten. Ihre Amtszeiten betragen sechs Jahre (Senat) und vier Jahre (Abgeordnete). (APA, 9.8.2017)