In der japanischen Hauptstadt Tokio ist Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un in Nahaufnahme auf riesigen Bildschirmen in den Straßen zu sehen. Nicht nur in Japan ist man über die Zuspitzung besorgt.

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Dr. No, Ian Flemings genialer Bösewicht, wäre heute die willkommene Geheimwaffe gegen Nordkoreas Kim Jong-un. Denn Dr. No arbeitete auf Crab Key südlich von Jamaika am Projekt, US-Versuchsraketen aus Florida – literarisch halten wir in den späten Fünfzigerjahren – mittels russischer Radiostrahlen in den Atlantik plumpsen zu lassen. Deswegen musste James Bond herbeieilen, wobei er auf die göttliche Ursula Andress traf, was die Serie der Bond-Filme unausweichlich machte.

Nur hat es bis heute niemand geschafft, Interkontinentalraketen fehlzuleiten. Kurz- und Mittelstreckenraketen lassen sich, bei einer Fehlerquote um die 60 Prozent, abschießen. Aber nicht einmal Präsident Reagans "Star Wars"-Projekt schaffte eine einigermaßen verlässliche Abwehr gegen – atombestückte – ballistische ICBM-Raketen – genau das Programm, dem sich Nordkorea, nach allem, was wir wissen, mit eiligen Schritten nähert.

Was tun? Das rhetorische Poltern von US-Präsident Trump bringt nichts. Es muss eine Verhandlungslösung geben. Denn ein zweiter Korea-Krieg, auch wenn er nur 24 Stunden dauerte, würde Nordkorea verkohlen, Seoul in Flammen aufgehen lassen und Millionen Tote und Verwundete – darunter auch Tausende von in Südkorea stationierten US-Solda-ten – verursachen.

Also muss es vorerst beim augenblicklich schwebenden Zustand bleiben: Nordkorea perfektioniert sein (atomares) Raketenprogramm, China und Russland beschwichtigen, die USA veranstalten mit Japan und Südkorea militärische Drohmanöver.

Hoffentlich rutscht dabei niemand aus! Kein James Bond könnte zu Hilfe eilen. Was die Situation zusätzlich kompliziert macht, ist ein beträchtliches Informationsdefizit der US-Strategen betreffend Nordkorea. Konventionelle Satelliten können jeweils nur ein Drittel des nordkoreanischen Territoriums in groben Rastern abtasten. Deswegen wird derzeit in Washington eilends ein Projekt aus der Obama-Zeit aktiviert: Es sollen Dutzende von miniaturisierten Spy-Satelliten Nordkorea umfassend und in äußerster Schärfe abbilden, um rechtzeitig jeden Raketenstart erfassen (und dann wohl auch punktuell mit herkömmlichem Sprengstoff zerstören) zu können. Allerdings soll dieses Programm erst in einigen Monaten einsatzbereit sein.

Ein Schlichtungsplan zur Entschärfung der Situation, nämlich Denu-klearisierung und Neutralisierung beider Koreas, kommt leider bei keinem der Akteure auch nur ansatzweise infrage. Daher hilft kurzfristig auch nicht der im Entwurf fertig vorliegende globale Verbotsvertrag betreffend Nuklearwaffen – 122 Staaten haben unlängst dafür gestimmt, bei nur einer Gegenstimme und einer Enthaltung.

Man kann sich vorstellen, dass allerorts militärische Denkfabriken Konfliktszenarien durchspielen, unter Einsatz von komplizierten Algorithmen zur "effizienten Kriegsführung". Aber sollte es nicht auch einen Friedens-Algorithmus geben?

Dieser Aufgabe hat sich Robert Trappl, Leiter des Instituts für Artificial Intelligence in Wien, unterzogen. Die Ergebnisse lassen sich in seinem editorischen Band Programming for Peace (Wissenschaftsverlag Springer 2006) nachlesen – wenn man mit Algorithmen umgehen kann. In der Tat, so die These, schafft computergestütztes Nachdenken einen viel breiteren Fächer an möglichen Lösungen – sofern zumindest eine der Konfliktparteien Bereitschaft zeigt, einen bewaffneten Konflikt verhindern oder frühzeitig beenden zu wollen.

Gerade daran mangelt es freilich im koreanischen Fall. Und Politiker, eher dem Analogen verhaftet, urteilen gerne aus dem Bauch – was den koreanischen Konflikt so gefährlich macht. Trump versus Kim – das wäre nicht einmal Ian Fleming eingefallen. (Gerhard Drekonja-Kornat, 10.8.2017)