Bild nicht mehr verfügbar.

Polizisten gingen im Stadtteil Mathare der kenianischen Hauptstadt Nairobi gegen Demonstranten vor.

Foto: Reuters / Thomas Mukoya

Nairobi/Wien – Noch nicht einmal über die Nachrichtenlage waren sich Opposition und Regierung am Tag nach der Wahl in Kenia einig: Während die Opposition von Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften in mehreren Städten wegen des unklaren Wahlausganges berichtete, sagte Innenminister Fred Matiangi zu Mittag, es sei alles ruhig im Land. Fotos und Meldungen von Agenturen legten allerdings nahe, dass es durchaus Scharmützel gegeben hat. Abends sprachen Medienmeldungen auch schon von mehreren Toten.

Insgesamt erschoss die Polizei am Mittwoch vier Menschen. In der Hauptstadt Nairobi töteten Beamte nach Polizeiangaben zwei regierungskritische Demonstranten mit Schüssen, in der Stadt Hula im Südosten erschossen Polizisten zwei Menschen bei gewaltsamen Auseinandersetzungen an einem Auszählungsbüro.

Die Beamten hätten in allen Fällen in Notwehr gehandelt, erklärte die Polizei. Der Polizeipräsident von Nairobi, Japheth Koome, gab bekannt, dass in der Hauptstadt zwei Demonstranten von Beamten erschossen worden seien. Demnach hätten sie die Sicherheitskräfte mit Macheten attackiert. Ein AFP-Reporter sah in Nairobis Armenviertel Mathare einen der getöteten Demonstranten mit einer schweren Schusswunde am Kopf und eine Machete am Tatort.

In der Stadt Hula drangen nach Polizeiangaben fünf Männer in ein Auszählungsbüro ein und stachen mit Messern auf Menschen ein. Dabei hätten sie einen Menschen ernsthaft verletzt. Die Polizei habe das Feuer eröffnet und zwei der Angreifer getötet.

Manipulationsvorwurf

Schwer wiegen auch die Vorwürfe, die Oppositionschef Raila Odinga an die Regierung richtete. Das Kabinett von Präsident Uhuru Kenyatta habe Wahlcomputer mittels eines Algorithmus manipulieren lassen, sagte er. Nur deshalb liege er in Zwischenständen der Wahlauszählung, die kenianische Medien den ganzen Tag über präsentierten, so weit zurück. Rund 54 Prozent der Stimmen soll demnach Kenyatta erhalten haben, Odinga nur etwa 44 Prozent. In Umfragen waren beide noch etwa gleichauf gelegen.

Diskrepanzen festgestellt

Die Regierung wies die Vorwürfe erbost zurück. Die Wahlkommission teilte hingegen etwas zurückhaltender mit, man werde die Meldungen überprüfen, habe aber Vertrauen in die eigene Arbeit. Als dritte Stelle meldete sich dann die kenianische Menschenrechtskommission zu Wort. Man habe Hinweise, dass es Diskrepanzen zwischen der Auszählung der elektronisch abgegebenen Stimmen und den auf Papier notierten Angaben der örtlichen Wahlkommissionen gebe, teilte sie mit. Die Wahlkommission gebe Zahlen heraus, deren Herkunft nicht nachvollzogen werden könne. Die internationalen Beobachter äußerten sich zunächst nicht.

Damit scheint sich das zu bewahrheiten, was schon vor dem Urnengang befürchtet worden war: dass Opposition und Regierung über die zahlenmäßige Interpretation des Wahlausganges keine Einigkeit finden. Schon 2007 und 2013 hatte Odinga nach seinen ersten beiden Niederlagen das Ergebnis nicht anerkannt und von Manipulation gesprochen. 2007 waren auf die Wahl Unruhen gefolgt, die schnell ethnische Züge annahmen. Damals wurden mehr als 1000 Menschen getötet.

Keine Kontrolle

Diesmal gab es widersprüchliche Signale. Odinga sagte in seiner Pressekonferenz, er rufe zwar zur Ruhe auf, "aber ich kann die Menschen nicht kontrollieren". Sein Vizekandidat Kalonzo Musyoka sagte ebenfalls, Anhänger sollten auf Gewalt verzichten, kündigte aber an, es könnte später "weitere Aktionen" geben. Anhänger, die – zunächst friedlich – mit dem Slogan "No Raila, no peace" ("Kein Raila, kein Frieden") auf die Straße gezogen waren, riefen beide nicht direkt zurück.

Neben dem Präsidenten werden bei der Wahl in Kenia auch die Abgeordneten und zahlreiche lokale Posten neu vergeben. In beiden Fällen lagen zunächst noch keine belastbaren Ergebnisse vor. (Manuel Escher, 9.8.2017)