Politiker brauchen heute eine Marke. Sie sollen unverwechselbar sein, mit etwas assoziiert werden, was den Wählern gefällt. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hat sich rechtzeitig die Marke "Mister Balkanroute" gesichert. Hätte es ihn nicht gegeben, der mit Mut und Courage die Zugbrücke hochzog, kämen nach wie vor tausende Flüchtlinge über die Balkanroute ins Land, suggeriert diese. Aktuelle Asylzahlen aus Österreich und Deutschland legen nun nahe: Es nutzen trotzdem Tausende die Balkanroute, obwohl sie Kurz für geschlossen erklärt hat.

Stets wortreich zu versichern, er, Sebastian Kurz, habe die Route gesperrt, ist also schlicht eine faktenbefreite Heldenerzählung. Denn nach wie vor wird die Route vermehrt in Anspruch genommen. Von den 16.000 in diesem Halbjahr registrierten Flüchtlingen reiste nach Angaben des Innenministeriums ein Großteil über diese alte Flüchtlingsstrecke nach Österreich ein. Natürlich wurde die große Flüchtlingsbewegung des Jahres 2015 gestoppt, aber das geschah im Zusammenwirken verschiedener Staaten.

Ebenso ist die von Kurz zum neuen Flüchtlingshotspot stilisierte Brennergrenze schiere Panikmache. Nur ein Viertel der in diesem Jahr in Österreich registrierten Flüchtlinge kam über diese Grenze. Es lässt sich festhalten: Das von Kurz gemalte Legendenbild von ihm selbst als Balkanhelden ist überzeichnet. Es passt, wenn überhaupt, nur auf Autogrammkarten für seine Wahlkampfauftritte. (Walter Müller, 9.8.2017)