Karl Schnell will mit seiner Freien Liste Österreich mehr direkte Demokratie und weniger Bürokratie.

Foto: Neumayr/MMV

Mit Barbara Rosenkranz hat Schnell eine prominente ehemalige Freiheitliche auf seiner Liste. Sie ist am Montag aus der FPÖ ausgetreten.

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Salzburg – Karl Schnell (63) ist im Stress. Sein Handy klingelt regelmäßig. Am Apparat sind meist Parteifreunde, Unterstützer oder Journalisten mit Interviewanfragen. Für den STANDARD hat Schnell während der Fotoaufnahmen für die Plakate für die Nationalratswahl in Zell am See Zeit gefunden.

Die Tage danach hat er in seiner Arztpraxis in Saalbach-Hinterglemm Bereitschaftsdienst. Dass die Nationalratswahl nun so schnell gekommen ist, habe Schnell unter Druck gesetzt, noch in allen Wahlkreisen Kandidaten für die Freie Liste Österreich (FLÖ) zu finden. Es sollte sich aber ausgehen, meint der Parteigründer.

STANDARD: Ist Ihnen Salzburg zu klein, sind Sie im Landtag nicht ausgelastet? Warum treten Sie bei der Nationalratswahl an?

Karl Schnell: Sehr viele Leute in meiner Umgebung und aus allen Bundesländern haben mich angesprochen: Wir sollen bitte eine Alternative bieten, weil das derzeitige System der Regierungs- und Oppositionsparteien nicht mehr das Gefühl vermittelt, dass sich etwas ändert. Jeder macht sich Sorgen. Wenn wir so weitertun, fahren wir an die Wand. Wir müssen den Menschen eine gute Zukunft bieten. Das ist derzeit nicht gegeben.

STANDARD: Sie haben sich mit Heinz-Christian Strache überworfen – ist das jetzt die Rache an der FPÖ?

Schnell: Nein. Das bildet sich der Herr Strache ein, aber so wichtig ist er bei Gott nicht. Wenn der Herr Strache gescheite Politik machen würde für Österreich, dann wäre das Ganze gar nicht notwendig. Strache liefert nach außen große Sprüche. In Wirklichkeit ist er nur damit beschäftigt, wie er sich für die Hochzeit schminkt. Wobei es ihm ganz egal ist, wer die Braut oder der Bräutigam ist. Ständig in Ibiza, kann man auch die Probleme in Österreich nicht lösen.

STANDARD: Wie unterscheiden Sie sich inhaltlich von der FPÖ?

Schnell: Zum Beispiel im sozialen Bereich. Wenn eine Mutter ihre behinderte Tochter pflegt und ihr die Mindestsicherung gekürzt wird – das darf nicht sein in einem Sozialstaat. Das interessiert den Strache überhaupt nicht. Bei der letzten Sitzung habe ich die Allergenverordnung angesprochen, die ein Holler war und nur bürokratische Ärgernisse für die Wirte gebracht hat. Da haben Kickl und er gesagt: Nein, sonst sind wir nicht regierungsfähig. Er spuckt große Töne, will es aber nicht umsetzten. Wenn er nicht die EU anbetet und überall mitspielt, weiß er genau, dass er nicht regierungskompatibel ist. Wasser predigen und Wein trinken, das ist nicht unsere Sache.

STANDARD: Wie haben Sie Barbara Rosenkranz auf Ihre Seite gezogen? Sie war ja immer sehr parteitreu.

Schnell: Ja, ich auch. Ich war der längstdienende Obmann dieser Partei. Ich bin nach dem Jörg Haider der gewesen, der am meisten den Kopf hingehalten hat.

STANDARD: Was hat sich geändert?

Schnell: Wir haben uns nicht geändert. Leider hat sich die FPÖ massiv geändert. Strache hätte viel tun können, man merkt aber, dass es ihn gar nicht interessiert. Das Problem ist die direkte Demokratie. Das ist auch der Hauptpunkt in unserem Programm. Selbst wenn uns die Sensation gelingt und wir in den Nationalrat einziehen, dann müssen wir auch was umsetzen können. Das wird uns nur mit der direkten Demokratie gelingen.

STANDARD: Wie hoch rechnen Sie sich die Chance aus, in den Nationalrat einzuziehen?

Schnell: Ich glaube ganz fest daran. Weil ich auch die Stimmung der Menschen merke. Der Mittelstand wird ausradiert, die Bürokratieflut, seit Jahrzehnten versprechen die Herrschaften, nichts hat sich geändert.

STANDARD: Wenn Sie einziehen, werden Sie Abgeordneter in Wien?

Schnell: Nein. Ich bin niemand, der die Bevölkerung anlügt. Ich möchte in die Regierung in Salzburg. Aber ich werde nach Wien mutige Menschen schicken, die sich nicht kaufen lassen, auf Linie bleiben und wirklich Dinge umsetzten.

STANDARD: Sie werden auch nicht Spitzenkandidat Ihrer Partei?

Schnell: Das ist noch nicht sicher. Das wird sich die nächsten Tage entscheiden, aber höchstwahrscheinlich nein. Ich bin der Motor dieser Bewegung, der Ideengeber – der, der das vorantreibt.

STANDARD: Wer wird noch bei Ihnen antreten?

Schnell: Es werden noch einige spannende Kandidaten dabei sein. Es wird noch ganz lustig. Auch ehemalige Rote oder Schwarze, die keinen Glauben mehr an das System haben, sind dabei. Wenn man sich den Kurz anschaut: Der hat weder einen Beruf noch ein Studium. Der ist abhängig, wird gesponsert von der Großindustrie. Als Stellvertreterin hat er die Finanzchefin der Casinos Austria, da weiß ich ganz genau, dass es nicht um kleine Betriebe und die Menschen geht. Dann eine Halligalli-Seifenblasenoper mit der Ballorganisatorin, einer, der rechnen kann – hoffentlich bringt er es ihnen bei –, eine Sportlerin und einen abgesprungenen Grünen, einen Türken für die Ausländer. Das erkennen doch die Leute. Das ist ein Medienspektakel.

STANDARD: Wie finanzieren Sie den Wahlkampf?

Schnell: Wir haben ein Spendenkonto, aber nur für Kleinspenden. Ich werde nie größere Spenden annehmen, weil ich unabhängig bleiben will. Das habe ich immer in der Politik abgelehnt. Wir werden einen Kredit aufnehmen mit eigenem Risiko von 400.000 Euro. Von jedem Mandatar erwarte ich, ein Monatsgehalt beizusteuern.

STANDARD: Unterstützt Sie auch Frank Stronach finanziell?

Schnell: Nein. Der Stronach war sehr überrascht, weil er das erste Mal einen Menschen getroffen hat, der nicht nach Geld fragt. Genau das würde ich ablehnen. Er hat mich kontaktiert und wollte mich kennenlernen. Wir haben vier Stunden in Ebreichsdorf gegessen und geplaudert. Er hat gesagt, er wird sich aus der Politik zurückziehen. Ich habe ihm gesagt: Es ist möglich, dass ich antrete. Dann hat er gesagt: "Herr Schnell, Sie sind für mich so ein kleiner Revoluzzer. Und wenn Sie wirklich antreten, dann werde ich Ihnen die dritte Unterschrift auf jeden Fall zur Verfügung stellen." Aber er wird mich sonst in keinster Weise unterstützen.

STANDARD: Sie sind ja ein Politiker mit langjähriger Erfahrung. Warum spalten sich die Parteien immer mehr auf?

Schnell: Es gibt eigentlich keine Parteien mehr, die erkennbar sind in ihrer Wirkung. Es gibt keine Arbeitnehmerpartei mehr, die Sozialisten, es gibt keine Wirtschaftspartei, die ÖVP, es gibt auch die Grünen nicht mehr, da merkt man schon lange, dass es ihnen nicht um Umwelt und Natur geht, und es gibt auch diese Heimatpartei Strache nicht mehr. Denen geht es um ganz andere Dinge. Die wollen einfach Kohle machen, im System sitzen, das System ausnutzen. Jetzt ziehen sich die Menschen immer enttäuschter in die innerliche politische Kündigung zurück. Die Nichtwählerschar wird immer größer. Man hofft auf Persönlichkeiten. Und das ist der große Irrtum. Bei einer Partei muss erkennbar sein, für was sie steht. (Stefanie Ruep, 11.8.2017)