"Kronen Zeitung"-Kolumnist Michael Jeannée.

Wien – Vielleicht wären eine Sandkiste oder ein Boxring bessere Orte für die Auseinandersetzung zwischen "Kronen Zeitung"-Kolumnist Michael Jeannée und Wolfgang Fellners Mediengruppe Österreich. Die beiden Titanen des seriösen und gefühlvollen heimischen Journalismus halten sich aber an den Rechtsstaat, und daher muss Richter Stefan Apostol im Saal 203 des Wiener Straflandesgericht entscheiden, ob "Österreich" illegal gehandelt hat, als Jeannée in einem Artikel unterstellt wurde, stockbetrunken zu arbeiten und alkoholkrank zu sein.

Entzündet hat sich der Streit an einer Geschichte auf der "Österreich"-Titelseite vom 2. Juni. Den Artikel zum Tod des ehemaligen Vizekanzlers Alois Mock hatte man mit "Bewegender Parkinsontod" überschrieben.

"Geschmackloser Aufmacher" für die Auflage

"Ein geschmackloser Aufmacher, um die Auflage zu optimieren!", prangert Jeannées Anwalt Michael Krüger an. Sein Mandant habe sich über diese Doppeldeutigkeit empört. Und daher in seiner Kolumne einen offenen Brief an Wolfgang Fellner verfasst, der, nun ja, nicht sehr höflich formuliert war.

So endete er mit dem Verweis auf die von Karl Kraus gegen Imre Békessy erhobene Forderung "Hinaus mit dem Schuft aus Wien!". Für Krüger seien Békessy und Fellner durchaus vergleichbar: "Bei Methoden der Anzeigenakquisition und dabei, Menschen fertigzumachen."

Nach Jeannées Brief konterte "Österreich" nämlich mit einem nicht namentlich gezeichneten Text, in dem der Mock-Titel verteidigt und Jeannée attackiert wurde. In gewohnt espritvoller Weise: "Sudelfeder" wurde der Journalist genannt, "übelster Kolumnisten-Schuft", "Promille-Schreiber" und "Besoffener". Das fand der so Beschriebene nicht lustig und klagte.

Heiligenschein der Scheinheiligen

"Österreich"-Anwalt Peter Zöchbauer kontert in seinen Eröffnungsworten mit Helmut Qualtinger: "Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen." Denn: "Es gibt mehrere Verurteilungen der 'Kronen Zeitung' wegen Artikeln des Herrn Jeannée über 'Österreich', er betreibt wiederkehrendes Fellner-Bashing." Zöchbauers Schlussfolgerung: "Es geht nicht an, mit einem Glaskinn durch die Gegend zu gehen, wenn man selbst dauernd austeilt."

"Wie ist Ihr Verhältnis zu Herrn Fellner?", beginnt der Richter dann die Befragung des Antragstellers. "Indifferent. Von beiden Seiten." – "Ich darf Sie erinnern, dass Sie als Zeuge unter Wahrheitspflicht stehen. Kann es sein, dass Sie ihn nicht mögen?" – "Wenn Sie mich direkt fragen, sag ich, ich mag ihn nicht. Wir können uns nicht riechen." Warum, bleibt unklar, die Antipathie habe jedenfalls kurz nach der "Österreich"-Gründung begonnen.

Apostol interessiert sich auch für die Arbeits- und Alkoholgewohnheiten des 74-Jährigen. "Wie viel Zeit haben Sie eigentlich zum Schreiben einer Kolumne?" – "Ich bin jeden Tag um 8, 8.30 Uhr in der Redaktion. Dann lese ich mir alle Tageszeitungen durch und such mir den Adressaten des Textes." – "Wie frei sind Sie dabei?" – "Komplett." – "Hat jemand ein Vetorecht?" – "Der Chefredakteur."

Kolumnist als Erfinder von Stilmitteln

Der sei in diesem Fall sogar informiert worden, da Jeannée nicht wie sonst üblich lediglich "die bekannte Krawallzeitung", sondern dezidiert "Österreich" schreiben wollte. Christoph Dichand hatte damit kein Problem. Dann offenbart Jeannée auf Apostols Frage, was es mit den immer wiederkehrenden drei Punkten am Ende eines Satzes auf sich habe, Erstaunliches. "Das habe ich erfunden", verrät er, "das ist ein Stilmittel."

Eines stellt der Kolumnist klar: Er sei in seiner Karriere noch nie betrunken in der Redaktion gewesen. Ja, es stimme, vor zehn Jahren habe er einmal den Führerschein verloren, aber das sei in der Freizeit gewesen. "Sind Sie alkoholkrank?", fragt der Richter. "Nein." Ein- bis zweimal pro Woche trinke er ein Achterl Wein, wenn er mit seinem Hund in den Weinbergen Gassi gehe, präzisiert Jeannée.

"So einen Titel traut sich sonst keiner"

Apostol hat noch ein Anliegen: "Ich habe zu klären, ob Sie ein Sudelkolumnist sind. Sind Sie einer?" – "Nein." – "Ist es Ihnen dann um Verleumdung gegangen?" – "Nein. Das war eine Meinungsäußerung, scharf formuliert." – "Und wieso haben Sie den Brief an Herrn Fellner gerichtet?" – "So einen Titel traut sich sonst keiner."

Ein Punkt, bei dem Zöchbauer nachhakt. "Woher wissen Sie, dass der Titel von Herrn Fellner stammt?" – "'Österreich' ist Fellner, das weiß jeder in der Branche." – "Haben Sie das gegenrecherchiert?" – "Nein, wie soll ich das wissen?", lautet die interessante Antwort. "Indem man fragt?", hat Jurist Zöchbauer einen Ratschlag im Angebot.

Da der "Österreich"-Herausgeber derzeit im Ausland auf Urlaub ist, muss Apostol auf den 7. September vertagen. (Michael Möseneder, 10.8.2017)