Gegen das Gefühl, "nicht gut genug zu sein": Ali Mahlodji.

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Mahlodji, der King of Social Media.

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"Als Kind war ich ein Fehler im System, jetzt bin ich genau das, was der Arbeitsmarkt braucht": Einer von Ali Mahlodjis Lieblingssätzen bei seinen Vorträgen – das sind wirklich sehr viele, an manchen Tagen sieht er drei Flughäfen von innen – für sein derzeit wohl prominentestes junges Unternehmen unter den heimischen Gründungen im sozial-gesellschaftlichen Bereich, Whatchado, als EU-Jugendbotschafter, in Beiräten, Komitees, Thinktanks.

Mit der Videoplattform Whatchado verdient er, international aufgestellt und mit einer Reihe namhafter Investoren an Bord, mit 50 Mitarbeitern mittlerweile Geld. Darum geht es ihm aber eigentlich nicht, sondern hauptsächlich um Chancen für junge Menschen, die vom System keine Chancen kriegen, die mit dem Selbstbild, unbrauchbar, unbegabt und nutzlos zu sein, aufwachsen, sich ihre jungen Köpfe und Herzen an vermeintlich unüberwindbaren Grenzen wundschlagen.

Videoplattform gegründet

Das ist getrieben und genährt von seiner eigenen Geschichte – er hat all seinen Schmerz mit all seinen Anliegen gepaart und eine Videoplattform gegründet, auf der "Systemvertreter" aller Professionen ihre Berufs- und Lebensgeschichten erzählen. Nahbar und als Inspiration, was man mit seinem Leben so alles anstellen könnte.

Und wie erfüllend und richtig das sein kann. Er hat damit als quasi Nebeneffekt auch Bewegung in den Personalmarkt gebracht, Unternehmen, die Talente suchen, ins Bewegtbild geschubst, den Stellenmarkt – zur Unfreude der einst geschlossenen Wertschöpfungskette von Suchen und Finden – ein Stück weit revolutioniert.

Nix gepfiffen

Das hat sich in den vergangenen rund fünf Jahren abgespielt. Der Einsatz für den raketenhaften Erfolg war eine ungeheure Energie plus unwiderstehliche – man würde professionell sagen – emotionale Intelligenz: Er hat sich nix gepfiffen, um Aufmerksamkeit zu erhalten, hat sich zum Idioten gemacht, sich so aufgebaut, dass keiner vorbeisehen konnte.

Ob ich, fragte mich ein attraktiver junger Perser, der wegen eines Termins nicht lockergelassen hatte, vor vielen Jahren, glaube, dass er Teppichhändler oder Taxifahrer sei? Hä? Will der Vorurteile checken, mir Klischees umhängen, was will der? Es war sein Hook. Ich hab ihm vorgeschlagen, dass ich meine Lieblings-Reggae-Nummern vorspiele, dann könnten wir uns ja unterhalten und den Teil auslassen. Dass ein paar dutzend Podiumsdiskussionen, Kongresse und Veranstaltungen in den folgenden Jahren inklusive seiner "Erziehungs"-Ratschläge für meine Kinder folgen sollten, wussten wir damals noch nicht.

Zwischenstation: IT-Manager im Anzug

"Ali erfüllte alle Vorurteile: Flüchtling, Schulabbrecher, schwer erziehbar mit einer ADHS-Diagnose, an ein Studium war für ihn nicht zu denken, und einen richtigen Beruf hatte er auch nicht erlernt", schreibt der prominente Hirnforscher Gerald Hüther in seinem Vorwort zum Buch zur Ausgangslage. Ali Mahlodji, 1981 geboren, kam als Flüchtlingskind einer Akademikerfamilie, die vor dem Khomeini-Regime fliehen musste, zwei Jahre später in Traiskirchen an.

In den folgenden Jahren war er mit dem ganzen Spektrum der Möglichkeiten eines solchen Schicksals konfrontiert: Spott, Hohn, Verachtung, hilfreiche, liebevolle Menschen – Fußtritte bis Mentorenschaft. Die Helfer nennt Mahlodji namentlich in seinem Buch, jene, die ihn aus Schulen, Jobs und Gemeinschaften getreten haben, nicht.

Mit 14 hat er begonnen, Geld zu verdienen. Am Bau, als Apothekenhelfer, Boden- und Kloputzer – 40 verschiedene Jobs hat er gemacht, bevor er den Schulabschluss und ein Studium nachgeholt hat, dann ein paar Jahre IT-Manager im Anzug samt fettem Dienstwagen war.

"Eine Kette von Zufällen"

Vollgas immer inklusive – was, wie er eindrücklich beschreibt, mehrmals zum Fall, ins Burnout geführt hat. Aber: "Unsicherheit war für mich deshalb selten mit Angst verbunden, sondern eher mit der Tatsache, dass ich mich vom Leben überraschen ließ." Was ihn zur Einsicht brachte, dass der einzige rote Faden immer eine Kette von Zufällen sei.

Die hat er wohl auch herbeigebeten: Keine Bühne, die er nicht bespielt hat – und gab es keine, dann hat er sie gebaut, um "Jugendlichen, die glauben, dass sie repariert werden müssen, weil sie nicht so funktionieren wie der Rest, Mut zu machen, ihnen neue Perspektiven zu zeigen". Unnötig zu erwähnen, dass er auch King of Social Media ist.

Von diesem Mittdreißiger wird noch sehr viel zu hören sein. Manchmal möchte man auch pädagogisch sein und sagen: Hey, relax, chill auch mal. Das geht wohl bei Ali Mahlodji nicht. (Karin Bauer, 11.8.2017)