Viele junge Menschen trinken gern viel Alkohol, damit das Leben lustiger wird und das unangenehme Zittern in den Fingern aufhört. Dieser Typ tut gut daran, den richtigen Job zu wählen. Es gibt Berufe, bei denen beherzter Alkoholkonsum eher unangenehm auffällt: Hirnchirurg, Feinmechaniker oder Fahrlehrer. Auch restfette Piloten, die ihre Durchsagen am Rande der Verständlichkeit durchs Mikrofon lallen ("Ned bös sein, Kinder, aber i hob heut wieder an Mörderflieger"), bekommen wenig Verständnis.

Und dann gibt es Berufe, bei denen man naturgemäß erst jenseits der 0,8 Promille professionell in Form kommt: Weinbauer, Zuhälter, Bürgermeister oder Kolumnist. Mit einem zärtlichen Blick auf das Wodkaglas vor mir verrate ich Ihnen, dass sich unsereins an den Ratschlag des Dichters Anakreon hält: "Viel besser ist es trunken als tot am Boden liegen." Man muss nur die Kolumne geschrieben haben, bevor man am Boden liegt, das ist eine unserer großen beruflichen Herausforderungen.

Unsere Alkoholnähe rührt daher, dass wir Schreibkünstler sind und Schreiben und Saufen von jeher Hand in Hand gehen (außer vielleicht bei Thomas Glavinic). Kolumnisten sind zwar nur die Kleinkünstler unter den Schreibern, aber beim Saufen sind auch wir groß da und können selbst Größen wie Baudelaire, E. T. A. Hoffmann, Poe und Faulkner das Wasser bzw. den Wein (oder den Whisky) reichen.

Diese Woche hat in Wien ein Prozess begonnen, in dem sich Kollege Jeannée, der James Joyce unter den österreichischen Kolumnisten, gegen den Vorwurf von Österreich wehren musste, er sei ein "Promille-Schreiber" und "alkoholisierter Kolumnist".

Jeannée hat dies brillant entkräftet, indem er auf seinen spärlichen Weinkonsum verwies (nur ein bis zwei Achtel pro Woche). Der Krisenkolumnist glaubt ihm aufs Wort und freut sich neidlos über die gewiss tadellose Gamma-GT des Kollegen. Allerdings sind solche Bekenntnisse auch eine Gefahr für unser Berufsbild. Man möchte ungern in den Ruf eines genussfeindlichen Sauertopfs und einer moralisierenden Spaßbremse kommen. Daher ein feierlicher Schwur: In dieser Kolumne werden Sie auch künftig kein Wort zu lesen bekommen, das nicht unter dem Einfluss von mindestens drei Krügeln geschrieben wurde. Ich hoffe, das trifft auch für Sie als Leser zu. À la vôtre! (Christoph Winder, Album, 11.8.2017)