Toller Blick auf die südsteirischen Weinhügel und -berge: Der Seggauer Schlosskeller ist wieder eine gute Adresse.

Foto: Majken Corti

Gebackene Tascherln aus Roggenteig sind mit Eierschwammerlgröstl gefüllt und werden mit Krautsalat und einem Tiegel herrlich derber, intensiv käsiger Brotsuppe serviert.

Foto: Majken Corti

Der Seggauer Schlosskeller hat eine prachtvolle Aussicht auf die sorgsam ondulierten Hügelketten der Südsteiermark, vom Tal blinkt dazu der Sulmsee herauf – den Pächtern der letzten 20 Jahre aber hat das traditionsreiche Haus nur wechselhaft Glück gebracht: einst eine legendäre Backhendlstation, dann ein ambitioniertes Restaurant mit gewaltig bestücktem Weinkeller, zuletzt ein eher auf die Dorfjugend fokussiertes Wirtshaus, in dem der Schnapsausschank dem Vernehmen nach im Vordergrund stand. Seit Mai haben mit Anna und Manuel Hofmarcher zwei Wirtsleute übernommen, die dem alten Gemäuer ganz offenbar neue Energie einhauchen.

Fast vergessene Gerichte

Zuletzt hatten die beiden das Restaurant im Grazer Hotel Erzherzog Johann gepachtet, wo eine vergleichsweise hochgestochene Edelküche gefahren wurde. Die ist im Schlosskeller kein Thema mehr, obwohl Küchenchef Manuel Hofmarcher nach Stationen beim bayerischen Kochdenkmal Heinz Winkler, bei Thomas Dorfer im Landhaus Bacher oder Alex Fankhauser im Zillertal dafür durchaus die Voraussetzung hätte. Stattdessen macht er, was sich sonst kaum noch jemand antut: Sich zu fast vergessenen Gerichten der alpinen bäuerlichen Küche des Landes herunterbeugen, um aus bescheidenen Zutaten mit viel Handarbeit Köstlichkeiten freizulegen, die akut vom Aussterben bedroht sind. Ein bissl Backhendl (in Buttermilch mariniert und von herausragender Zartheit) und Kernölsalat mit Käferbohnen und Speck gibt es aber eh auch, schließlich fahren nicht wenige Gäste das Sulmtal aus eben diesen Gründen an.

Den Hauptteil der Karte aber bestreiten Pinzgauer Krapfen, Erdäpfelsterz und saure Suppen oder mächtige Hascheeknödel mit Speckkrautsalat und Zwiebelsauce. Sonntagmittag werden die Suppe in der Schüssel und ein mächtiges Bratl in der Rein samt Zuspeisen aufgetragen, auf dass sich jeder selbst bediene. Das mag in den Gostilnas und Trattorien jenseits der Grenze noch gang und gäbe sein, bei uns aber scheinen Traditionen wie diese längst vergessen. Insofern lohnt sich der kurze Abstecher von der Südautobahn auf dem Weg vom oder in den Süden doppelt: Hier wird genau jene Art von Nonna-Küche gepflogen, von der wir jenseits der Grenze nicht genug bekommen können – nur halt auf österreichisch.

Köstlicher Glibber

Tellersulz vom Kübelfleisch ist so ein Gericht, die kühle Suppe ganz zart geliert, das saftige Fleisch mit allerhand Suppengemüse darin gefasst und mit Käferbohnen, Radieschen, Schnittlauch, knusprigen Grammeln, Kürbiskernen und Croutons garniert – so wird aus der Heurigenjause ein beinahe eleganter erster Gang. Saure Suppe ist auch so eine vergessene Herrlichkeit, die einen an heißen Tagen gut versorgt und zugleich erfrischt: Hofmarcher serviert sie luftig aufgeschäumt, sodass sie wie eine vornehme Vorspeise anmutet, die klassischen Aromen von Kümmel, abgeschmalzenen Zwiebeln und saurer Milch schmecken aber deutlich vor. Als Einlage gibt es knusprigen Erdäpfelsterz – so gut, dass man gleich noch einen Teller will.

Hausgemachte Pasta wird mit Eierschwammerln, Bröseltopfen und Nudelminze aufgetragen, sehr gut. Pinzgauer Krapfen, gebackene Tascherln aus Roggenteig, sind mit Eierschwammerlgröstl gefüllt und werden mit Krautsalat und einem Tiegel herrlich derber, intensiv käsiger Brotsuppe serviert. Der mächtige Hascheeknödel besticht durch luftigen Erdäpfelteig, allein die Fülle gerät gar selchig und übermäßig wuchtig im Geschmack. Für hinterher sollte man Platz für Grießflammeri, Topfenschmarren mit Apfelkoch oder Preiselbeerpalatschinken lassen. Angesichts der Portionsgrößen wird das aber zur Aufgabe. (Severin Corti, RONDO, 18.8.2017)

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