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Das Mittel kann als Injektion oder Infusion verabreicht werden.

Foto: REUTERS/Heinz-Peter Bader

Fischamend/Wien – Die Medizinmarktaufsicht Ages sieht die Sache klar: Das niederösterreichische Unternehmen Koanaa Healthcare GmbH habe ohne bestehende Zulassung ein Medikament aus indischer Herstellung in österreichischer Aufmachung auf den Markt gebracht. Am Freitag wurde das Arzneimittel Melphalan Koanaa zurückgerufen. Es liege kein Antrag auf Zulassung vor, sagte Christa Wirthumer-Hoche von der Medizinmarktaufsicht am Mittwoch dem STANDARD. Arzneien mit dem Wirkstoff kommen prinzipiell bei Therapien zur Behandlung von Erkrankungen des blutbildenden Systems zum Einsatz.

Das betroffene Unternehmen wurde angezeigt. Das Gesundheitsministerium drängt auf "volle Aufklärung". Der Geschäftsführer der Koanaa Healthcare GmbH, Walther Erber, gab in einer Stellungnahme bekannt, dass "eine Zulassung dieses bereits fertig entwickelten Produkts" im Oktober 2017 beantragt werden sollte. Aufgrund von Lieferengpässen für Melphalan seien "Ärzte und Krankenanstaltenapotheker an Koanaa mit der Frage herangetreten, ob es möglich wäre, das Produkt bereits vor Zulassung zur Verfügung zu stellen", teilte Erber mit.

Das Medikament sei über "Klinikanforderungen gemäß (...) Arzneimittelgesetz, welches die Verwendung 'zu Heilversuchen zur Abwendung einer Lebensbedrohung oder schweren gesundheitlichen Schädigung' unter Verantwortung des Arztes erlaube", an Krankenanstaltenapotheken abgegeben worden. "Das stimmt nicht", entgegnete Wirthumer-Hoche von der Medizinmarktaufsicht im STANDARD-Gespräch.

Man habe Koanaa sehr wohl über Klinikanforderung mit der Bereitstellung des Medikaments beauftragt, da es seit Jahren Engpässe gebe, teilte hingegen die leitende Krankenhausapothekerin des Hanusch-Krankenhauses, Karin Kirchdorfer, laut APA mit. Sie gehe am ehesten von einem Verfahrensfehler aus. Seitens der Ages heißt es dazu, dass keine Importbewilligung vorgelegen habe. Es habe sich um Notfälle gehandelt, hieß es vom Hanusch-Krankenhaus. Man habe zudem alle notwendigen Dokumentationen über die Qualität des Produktes erhalten.

Laut Erber wurden neun Patienten "ohne Komplikationen behandelt". Die Ages teilte ebenfalls mit, dass keine Nebenwirkungen bekanntgeworden seien. Ein deutsches Gutachten habe festgestellt, dass Qualität und Quantität des Produkts in Ordnung waren. Die Ages prüfe das im eigenen Labor nach. Das Medikament wird nach Angaben von Koanaa Healthcare von der indischen Firma Shilpa Medicare (die niederösterreichische Firma ist eine Hundertprozenttochter) nach europäischen Standards hergestellt.

Selten, dann aber hochdosiert

Melphalan werde prinzipiell für "eine relativ enge Nische der Erkrankungen" verwendet, erklärt Ulrich Jäger, Leiter der Klinischen Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie an der Uni-Klinik für Interne Medizin I am Wiener AKH. Hauptsächlich komme es bei körpereigenen Stammzellentransplantationen zum Einsatz, die in der Regel bei multiplen Myelomen – einer bösartigen Erkrankung der Plasmazellen im Knochenmark – angewendet werden. In diesen Fällen – am AKH schätzt Jäger sie auf etwa rund ein Dutzend im Jahr – werden laut Jäger mit Melphalan die Myelom-Zellen zerstört, allerdings auch die gesunden Knochenmarkszellen, weshalb man vorher eigene Stammzellen entnehme und später wieder einsetze. Es brauche eine hohe Dosis.

"Das kann das Leben definitiv verlängern", sagt Jäger – der auch darauf hinweist, dass es in der Vergangenheit sehr wohl Melphalan-Engpässe gegeben habe. Jäger zufolge werde – wenn es keine besseren Alternativen gebe – im Allgemeinen täglich von Ärzten auf Medikamente zurückgegriffen, die eigentlich für eine andere Indikation zugelassen sind. "Aber das ist nichts, das wir anstreben." (Gudrun Springer, 16.8.2017)