Zu den Ritualen des Wahlkampfs gehört die Präsentation neuer Kandidaten, mit der ein Zeichen für die personelle Qualität und Vielfalt der jeweiligen Partei oder Liste gesetzt werden soll. Leider wird dieses Zeichen von den Wählerinnen und Wählern nicht immer gleich richtig verstanden. Beispielsweise wirkt H.-C. Straches Nominierung von Robert Lugar im ersten Moment so, als verkünde jemand stolz den Besitz eines einzelnen, aus der Wühlkiste eines Schuhdiskonters gefischten, sichtlich gebrauchten Badeschlapfens, der ihm vom Verkäufer in einer Mischung aus Ratlosigkeit und Mitleid gratis überlassen wurde.

Doch dabei übersieht man die intendierte Botschaft dieser Personalentscheidung. Vor drei Monaten gelang es uns für die TV-Sendung "Wir Staatskünstler", Lugar mit einer von uns gefakten Mail von der Adresse quovadisveritas.co zu einem Geheimtreffen bezüglich des neuen politischen Projektes eines noch anonymen, aber gewichtigen Geldgebers zu locken. In diesem vermeintlichen Bewerbungsgespräch ließ der damals noch amtierende Team-Stronach-Obmann dann gegenüber einer unversteckten Kamera nicht nur seine Bereitschaft zur politischen Flexibilität erkennen, sondern auch seine Vorliebe für Autokratie ("Wenn sie zu einem sinnvollen Ergebnis führt"), und beschrieb, wie Jörg Haider ihn einst für sich gewinnen konnte:

"Der hat sich an einen Tisch gesetzt und hat sich jede Meinung angehört. Und Sie wissen, wie das dynamisch läuft: Irgendeiner ist der Depp in der Runde, und wenn der redet, dann tun alle so: 'Ja eh, hör' auf zum Reden.' Und da hat der Jörg dann gesagt: 'Lassts ihn bitte reden, ich will hören, was er sagt.'"

Dieser Wunsch nach einem Zuhörer gepaart mit der Hoffnung auf neue wirtschaftliche Perspektiven wird nun ganz bewusst von der FPÖ erfüllt, die damit soziales Gewissen und Willen zur Deradikalisierung von Demokratieskeptikern demonstrieren möchte.

Vergleichbaren Erklärungsbedarf löste die ebenfalls in der Vorwoche bekanntgegebene Kandidatur Rudolf Taschners als Bildungs- und Wissenschaftssprecher der Liste Kurz aus. Die von Taschner vertretene These, wonach es sich beim Klimawandel um ein "Scheinproblem" handelt, wirkt in diesem Sommer ähnlich konsensual wie eine Forderung nach mehr Baustellen in Wien oder Gelsenzüchtung am Neusiedler See. Doch auch die Nominierung des wunderlichen Professors soll ein Signal sein, das sich erst bei genauem Hinhören erschließt. Sebastian Kurz will jene Kritiker kontern, die ihm einen zu brutalen Law-and-Order-Kurs vorwerfen, indem er auf einen Mann setzt, der auch Gestrauchelten Gehör verschafft. Taschner ist Testimonial des Glücksspielkonzerns Novomatic, also jener Firma, die laut jüngstem Urteil des Obersten Gerichtshofs illegale Automaten aufgestellt hat, die mehr Einsatz ermöglicht haben, als es das Gesetz erlaubt. Und sogar für das Problem, dass Automatenspielsucht bei Insassen heimischer Jugendgefängnisse als Kriminalitätsmotiv Nummer eins gilt, weiß Taschner in einem von Novomatic bezahlten Inserat eine Lösung: "Unter keinen Umständen darf es dem Spieler um den Verlust des Geldes leidtun." Da kann man nur sagen: Heureka!

(Florian Scheuba, 17.8.2017)