Salzburg – Die Kirche im Dunkel, im Licht nur die Kanzel. Von der aus erfüllt der Bratschist Mario Gheorghiu mit einem Solo für gut zwanzig Minuten den überdimensionalen Sakralraum: mit voluminösem, weichem Viola-Sound auf Basis eines in hypnotischer Manier immer wiederkehrenden Motivs. Die Kollegienkirche war einmal mehr stimmiger Aufführungsort eines klangsinnlichen zeitgenössischen Werkes in einer erhellend scharfsichtigen Interpretation. Es spielte das ORF Radio-Symphonieorchester Wien unter Maxime Pascal, 2014 Preisträger des "Young Conductors Award".

In acht Konzerten präsentierte heuer die Reihe "Zeit mit Grisey" Werke des 1998 verstorbenen französischen Spektralisten sowie von Wegbegleitern und "Beeinflussern". Das letzte Konzert galt einem Hauptwerk Gérard Griseys, dem monumentalen Zyklus Les Espaces acoustiques – Cycle de six pièces pour diverses formations (1974-1985). Ihm eignet allein von seiner ansteigenden Instrumentenzahl her der Charakter einer Crescendostudie.

Intensität und Subtilität

Die Intensität, mit der die klein besetzten, und die Subtilität, mit der die groß besetzten Teile musiziert wurden, unterläuft freilich dieses Schema. Das von der Viola im Prologue eingeführte Motiv gibt das Material für die folgenden eineinhalb Stunden insofern vor, als es etwa im zweiten Teil noch deutlich hörbar bleibt und im Epilogue quasi im Breitwandformat wieder auftaucht. Die in allen Facetten des Obertonspektrums und raffinierter Instrumentierungskunst schillernden Transitoires schießen da und dort beinah symphonisch ins Kraut, wurden aber immer wieder elegant in Phrasierung und Lautstärke zurückgestutzt: So kann das "Leitmotiv" in die Stille zurückkehren – "eine Art Wiegenlied" nennt das der Komponist.

Welch reizvoller Kontrast zum Hörnerschmettern und Windmaschinenbraus im Finalsatz. Doch selbst hier waren "Dialoge" oder "Trialoge" zwischen Instrumenten(gruppen) jederzeit auszumachen, Brillanz und Transparenz entzogen der Kitschgefahr den Boden. Witzig die ironisch distanzierenden Aktionen am Ende des dritten Teils wie Wassertrinken des Dirigenten, Bogen reinigen – oder Handy checken. Letzteres tut das Publikum ja auch. (klaba, 17.8.2017)