Wien – Den Spielen der Menschen im weitesten Sinne nähert man sich augenblicklich in der Wiener Secession. Sind dies in der Ausstellung von Alex da Corte (DER STANDARD berichtete) vor allem Spiele mit Rollen und Masken – ein zentrales Video beschäftigt sich mit der Beziehung des Mimen Boris Karloff zu seiner Lebensrolle als Frankensteins Monster -, so führen die Arbeiten von Ericka Beckman ins Feld wettkampf- und glücksbasierter Spiele.

Ericka Beckmans Video "You The Better" (1983/2015) wird von leuchtenden Objekten begleitet.
Foto: Iris Ranzinger

Tension Building (2016) nennt sich eines von zwei Videos der 1951 geborenen US-Amerikanerin, eine Art von Animationsfilm, der das Verhältnis von Sport, Architektur und Politik reflektiert. Im Brennpunkt steht das zur gleichnamigen Universität gehörige Harvard Stadium, ein Anfang des 20. Jahrhunderts errichteter, kolosseumsartiger Prestigebau. In Stop-Motion-Technik inszeniert Beckman etwa Fahrten über die menschenleeren Zuschauerränge der u-förmigen Architektur, um neue Blickpunkte und -linien zu erschließen. Als Ort, an dem "Spannung erzeugt, reguliert und freigesetzt" wird, habe das Stadion Beckman interessiert, erfährt man aus dem Beipacktext.

In Verbindung mit einem perkussionsbasierten Soundtrack entsteht ein Bilderstrudel, der den mächtigen Bau spielerisch einer überraschenden rhythmisch-zeitlichen Struktur unterwirft. Durch die Stop-Motion-Methode, die etwa ungewohnt zügige Bewegungen durch die Anlage ermöglicht, scheint dieses "Kolosseum" zwischenzeitlich zum Spielzeugmodell zu werden. Ein Eindruck, der dadurch bekräftigt wird, dass später auch eine Miniatur des Baus im Film auftaucht. Auf umfassendere soziopolitische Zusammenhänge – auf das Spiel nicht zuletzt auch im Sinne zivilisatorischer Rituale – fokussiert Beckman, wenn sie in ihre rasant getaktete Architekturerkundung auch Bildmaterial von Cheerleadern oder marschierenden Blaskapellenformationen einmengt.

Ein neues Ende

Der nationale Repräsentationscharakter des Stadions rückt dann spätestens in den Blick, wenn gegen Ende des Films ein "Hologramm" des Kapitols das Spielfeld überlagert. Dies ist ein Schluss, den die Künstlerin übrigens erst in Anbetracht des vergangenen US-Wahlkampfes ersann.

Bemerkenswert ist nicht zuletzt die besondere Haptik, die besondere Sinnlichkeit von Beckmans Film. Ein Eindruck, der auch für das zweite Video gilt, das neben einigen (Storyboard-)Zeichnungen in ihrer Wiener Personale Game Mechanics zu sehen ist.

In You The Better (1983/2015) fügt die Künstlerin Versatzstücke aus dem Glücksspiel zu einer Reflexion über die Leistungs- und Konkurrenzgesellschaft: Einige Performer scheinen sich unmittelbar im Inneren einer Glücksspielmaschine zu befinden, in der bei aller knalligen Farbigkeit zufällige, aber strenge Auswahlmechanismen und Leistungsdruck regieren. Die zwischen echter Aggression und Sportsgeist changierende Körperlichkeit von Beckmans Quasi-Choreografie-Film wird dabei dadurch unterstrichen, dass leuchtende Objekte abseits der Leinwand die Geschehnisse im Bild kommentieren. (Roman Gerold, 18.8.2017)