Hodenkrebs gehört bei Männern zwischen 20 und 45 Jahren zu den häufigsten Krebserkrankungen. Bei frühzeitiger Diagnose und Behandlung ist die Krankheit in 95 Prozent der Fälle heilbar. Die mitunter notwendige Chemotherapie führt jedoch dazu, dass rund ein Drittel der Patienten nach der Behandlung unfruchtbar ist. Aus diesem Grund arbeiten Forscher verstärkt an der Entwicklung von alternativen Therapieansätzen, etwa der Immuntherapie.

Doch der Hoden ist im Hinblick auf sein immunologisches Milieu sehr besonders. Er gehört zu den sogenannten "immunpriviligierten Organen": Die sich im Hoden entwickelnden Spermien sind in besonderem Maße durch anatomische Strukturen vor äußeren Einflüssen und auch vor dem körpereigenen Immunsystem geschützt. Unter normalen Bedingungen befinden sich daher nur wenige Immunzellen im Hoden, darunter hauptsächlich Makrophagen und Mastzellen, in geringem Ausmaß auch Lymphozyten.

Durch Hodentumoren kommt es zu einer verstärkten Einwanderung bzw. Präsenz von verschiedensten Immunzelltypen, vornehmlich Lymphozyten. Das bedeutet aber auch den den Zusammenbruch des Immunprivilegs. Ob diese Lymphozyten der Tumorbekämpfung dienlich sind oder aber den Hodentumor beim Wachstum und Überleben unterstützen, war bislang unklar.

Signal- und Botenstoffe, die Entzündungsreaktionen auslösen

Forscher vom Institut für Anatomie und Zellbiologie der Justus-Liebig-Universität Gießen haben nun Gewebeproben von Hodentumoren verschiedener Stadien untersucht. Dabei zeigte sich, dass bestimmte hochspezialisierte Immunzelltypen in besonderem Maße an der Infiltrierung der Tumoren beteiligt sind. Bereits in den Frühstadien von Hodentumoren konnten sogenannte dendritische Zellen als typische "Wächterzellen" identifiziert werden, wohingegen die antikörperproduzierenden Lymphozyten (B-Zellen) erst in manifesten Tumoren auftreten.

Die Wissenschafter stellten außerdem fest, dass sich in der Umgebung von Hodentumoren viele Signal- und Botenstoffe finden lassen, die Entzündungsreaktionen auslösen, unterstützen und aufrechterhalten können. Ein solches entzündungsförderliches Milieu kann ein weiteres Wachstum und die Ausbreitung von bestimmten Tumoren begünstigen, vermuten die Forscher.

In der Studie konnte nun gezeigt werden, dass künstlich in Kultur wachsende Hodentumorzellen maßgeblich an der Etablierung des sie umgebenden Milieus beteiligt sind. Dieses Milieu hat eine ähnliche Zusammensetzung wie das Milieu von Hodentumor-Gewebeproben. Es ist daher durchaus möglich, dass dieses entzündungsförderliche Milieu auch im Fall von Hodentumoren eine tumorunterstützende Eigenschaft besitzt, wie die Studienautoren betonen.

Immunologische Therapie denkbar

Die Untersuchungen zeigen außerdem, dass ein bestimmter Entzündungsparameter, das sogenannte Interleukin-6, in Hodentumoren sehr präsent ist. Es könnte somit ein wichtiger Faktor für das Wachstum und die Metastasierung der Hodentumoren sein – eine Eigenschaft des Interleukin-6, die bereits in Verbindung mit anderen Tumorarten, darunter Prostata-, Eierstock- und Brustkrebs, festgestellt wurde.

"Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass auch bei Hodentumorpatienten eine immunologische Therapie als zusätzliche Behandlungsform denkbar wäre", sagt Studienleiterin Britta Klein von der Justus-Liebig-Universität Gießen. "In einem nächsten Schritt wollen wir nun untersuchen, ob eine Blockade des Interleukin-6 -Signalweges einen Einfluss auf Wachstum und Invasion von Hodentumorzellen hat." (red, 17.8.2017)